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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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langsam versickerte. Nein, es war, als würde der Bach in ein tiefes Loch stürzen.
    Aber da war kein Loch zu sehen.
    Wie durch ein grobes Tuch, auf das man den Inhalt eines Kruges entleerte, verschwand der eben noch so lebendige Wildbach einfach im Erdreich.
    »Jetzt wisst ihr, warum er das Verlorene Wasser heißt«, brach Yehsir mit ausdrucksloser Stimme das betroffene Schweigen.
    »Der Bach wird uns begleiten – in unseren Wasserschläuchen.« Yonathans Versuch, irgendetwas Ermutigendes zu sagen, schien nicht recht zu fruchten. Selbst die Pferde schnaubten unruhig oder zerrten an ihren Riemen, um mehr Abstand zwischen sich und der Unheil verkündenden Grenzlinie zu gewinnen. Anscheinend wollte sich niemand dazu aufraffen, den ersten Schritt zu wagen. Selbst der Schützende Schatten starrte nur mit finsterer Miene auf das Land, aus dem die Sonne sich erhob.
    »Es hilft nichts, wir müssen weiter«, sagte Yonathan schließlich.
    Yomi fand so viel Tatendrang übertrieben. Er wollte zunächst noch einen Punkt geklärt wissen. »Was ist, wenn wir uns in Wüstensand auflösen, sobald wir diese Grenzlinie hier überschritten haben?«
    »Gibt es irgendeinen vernünftigen Grund, warum wir uns in Sand verwandeln sollten?«, fragte Gimbar.
    »Gibt es irgendeinen vernünftigen Grund, warum Yonathans Stab jemanden in Asche verwandelt?«
    Yonathan versuchte, seiner Stimme einen festen Klang zu verleihen. »Wir können tagelang darüber diskutieren, was mit uns in der Mara geschehen wird: ob wir zu Wüstensand werden; ob das Wasser in unseren Schläuchen sich nach den nächsten zehn Schritten in Luft auflösen wird oder ob wer weiß was für Dinge geschehen könnten…«
    »Siehst du!«, fiel ihm Yomi ins Wort. »Jetzt gibst du es selbst zu.«
    »Ich gebe gar nichts zu. Denke doch an das Verborgene Land. Auch das haben wir betreten, obwohl ein Fluch darauf lag. Wir haben das Land damals genauso wenig durchqueren wollen, um den Fluch herauszufordern. Yehwoh wollte nur, dass dort kein Volk wohnen kann.«
    »Das ist interessant«, bremste Yehsir. »Sag, Yonathan, man hat mir erzählt, Haschevet hätte dein Erinnerungsvermögen auf wundersame Weise geschärft. Kennst du den genauen Wortlaut von Yehwohs Fluch über die Mara, so wie er aufgezeichnet ist?«
    Yonathan griff sich an sein Ohr, als er über eine passende Antwort nachdachte.
    »Ich glaube schon, dass ich mich erinnere«, erwiderte er schließlich.
    »Und?«
    »Ja, also wenn ich mich richtig entsinne, stehen die Worte, die du meinst, im Buch Elir. Sie müssten in etwa folgendermaßen lauten:
    Du, dessen Wohntürme in den Himmel ragen, wirst verödet daliegen wie die Gebeine eines verdursteten Lemaks in der Wildnis. Dein Name wird für immer getilgt werden aus dem Gedächtnis aller Völker. Abbadon wird man dich nennen, denn ein Ort der Vernichtung wirst du bleiben, bis dass die Welt einen neuen Namen erhält. Und das Land und deine bewohnten Orte, die Felder und die Weiden, nie mehr soll der Mensch dort Wohnstatt nehmen, kein Haustier wird dort seinen Stall finden und kein wild lebendes Tier wird dort in Ruhe sein Haupt niederlegen, noch wird der Erdboden Pflanzen hervorsprießen lassen. Er wird seinen Ertrag verweigern. Da, wo einst fruchtbares Land war, wird es nur noch Bitterkeit geben.
    Ich glaube, das ist die Stelle, die du gemeint hast, oder?«
    »Erstaunlich, erstaunlich«, murmelte Yehsir vor sich hin, und sein wettergegerbtes Gesicht verriet Verwunderung und Respekt. »Alles, was man über dich sagt, scheint wahr zu sein.«
    »Nicht alles«, widersprach Yonathan scherzhaft. »Nur das Gute.«
    In geschäftsmäßigem Ton erklärte Yehsir: »Das wird die Lösung sein. Die Prophezeiung sagt nicht, dass man die Mara nicht betreten dürfe. Sie schließt nur aus, dass man darin ›Wohnstatt nimmt‹.«
    »Richtig«, bestätigte Felin. »›Kein Haustier wird dort seinen Stall finden und kein wild lebendes Tier wird dort in Ruhe sein Haupt niederlegen.‹ Das bedeutet ja nicht, dass man die Mara nicht betreten dürfe. Nur wer sich darin häuslich niederlassen will, wird von dem Fluch getroffen.«
    Yonathan nickte zufrieden. »Dann können wir also?«
    Yomi hatte noch etwas anzumerken. »Mir wäre trotzdem wohler, wenn du den ersten Schritt machtest, Yonathan. Du trägst den Stab. Vielleicht… na ja, vielleicht macht das den Fluch unwirksam – wenigstens da, wo wir uns gerade befinden.«
    »Also gut, Yomi, wenn es dich beruhigt.«
    »Das würde es, Yonathan. Unheimlich

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