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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Kopf waschen wie die Einsicht in seine eigene Torheit. Nichts anderes war es gewesen, als er sich Yehsirs Warnungen widersetzte. Er hatte sich wie ein kleiner Junge benommen, der sein Spielzeug nicht hergeben wollte.
    Die triefend nassen Kleider klebten an dem hageren Körper des Karawanenführers. Ein Ende seines Turbantuches hatte sich gelöst und haftete an Yehsirs linker Wange. Das machte seine Miene allerdings um keine Spur freundlicher. Im Gegenteil, Yehsirs Gesicht war eine Karte des Landes Zorn.
    Yonathan wartete nicht erst, bis Kumi sich niederlegte, sondern sprang todesverachtend die acht Fuß von dem hohen Rücken des Lemaks. Platschend landete er im Matsch und eilte auf Yehsir zu.
    Das versteinerte Gesicht des Karawanenführers schien unbeeindruckt. Die tiefen Falten sorgten für ein sicheres Abfließen des Regenwassers und sie ließen auch keinen Zweifel über seinen Gemütszustand.
    Jetzt die richtigen Worte finden!, schoss es Yonathan durch den Kopf. »Yehsir… ich bin so froh…«
    »Tu das nie wieder!«, knallte die Stimme des Schützenden Schattens wie ein Peitschenschlag.
    »Aber… Kumi!… Baltan hat ihn mir doch…«
    »Baltan hat ihn dir zu deiner Sicherheit gegeben. Er wollte, dass du die Mara heil durchqueren kannst. Aber wenn dieses störrische Vieh selbst zu einer Gefahr wird, dann ist es besser, es ersäuft in dem Wadi dort unten.« Yehsir deutete wütend hinter sich, wo die schmutzige Flut sich nach Westen ergoss.
    Yonathan überlegte, was er antworten konnte. Seine Augen wanderten Hilfe suchend im Kreis der durchgenässten Freunde herum, aber die blickten selbst befangen zu Boden, als würden sie gerade die Schelte empfangen. Nur Kumi schaute zweifarbigen Blicks und scheinbar empört zu dem aufgebrachten Anführer der Karawane.
    »Es tut mir Leid«, entrang sich Yonathan kleinlaut. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein.
    »Das ist wohl das Mindeste«, versetzte Yehsir, allerdings schon etwas milder. Endlich stieg er von seinem Rappen, trat auf Yonathan zu und sagte in freundlicherem Ton: »Du musst das verstehen, Yonathan. Ich trage die Verantwortung für deine Sicherheit und für die der ganzen Karawane. Dazu hat Baltan mich auf diese Reise geschickt. Wie könnte ich ihm jemals wieder unter die Augen treten, wenn ich ihm sagen müsste, dass du in der Wüste ertrunken bist?«
    »Wahrscheinlich würde er denken, du willst ihn verkohlen«, erwiderte Yonathan unklug.
    Yehsirs Ton wurde wieder schärfer. »Es sind schon mehr Menschen in der Wüste ertrunken als im Cedan. Wahrscheinlich dachten die genauso wie du, Yonathan. Solche Täler wie das, in dem wir unser Lager aufgeschlagen hatten, sind ausgetrocknete Flussbetten. Sobald ein Regenschauer niedergeht, verwandeln sie sich in reißende Ströme. Du siehst,die Wüste hat viele Überraschungen zu bieten, die du dir wahrscheinlich nicht einmal vorstellen kannst. Deswegen wäre es äußerst hilfreich, wenn du in Zukunft meinen Ratschlägen ein wenig mehr Beachtung schenktest. Hast du das verstanden?«
    »Ja, Yehsir.« Diese Worte kamen so leise, dass man sie in dem rauschend herniedergehenden Regen kaum hören konnte. Niedergeschlagen wich Yonathan dem bohrenden Blick Yehsirs aus. Seine Augen wanderten über die brodelnde Flut, die ihm beinahe zum Grab geworden war. Zerknirscht betrachtete er die weißen Schaumkämme, die wie wagemutige Reiter auf den bockenden, braunen Wellen ritten. Da sah er das Pferd.
    »Da, schaut doch!«, rief er aufgeregt und deutete hinaus in die schäumende Gischt.
    »Yonathan!«, mahnte Yehsir streng. »Versuche nicht abzulenken. Die Sache ist ernst…«
    »Nein, Yehsir, wirklich nicht!«, beteuerte Yonathan. »Da war eben etwas. Es sah aus wie ein Pferd, das in dem Wasser auftauchte.«
    »Habt ihr etwas gesehen?«, wandte sich Yehsir an Yomi, Gimbar und Felin.
    Die Angesprochenen waren sich nicht sicher. »Einen Moment lang glaubte ich etwas gesehen zu haben… mehr ein dunkler Fleck, der kurz unter der Wasseroberfläche schimmerte«, räumte der Zweimalgeborene ein.
    »Siehst du«, hakte Yonathan nach. »Ich habe Recht gehabt!«
    Yehsirs Augenbrauen zogen sich zusammen, ein Spiegelbild der hoch oben dahinstürmenden Gewitterwolken. »Willst du mit mir schon wieder darüber streiten, wer Recht hat, Yonathan?«
    »Nein, Yehsir.«
    »In der Mara gibt es keine Pferde. Ich frage mich, warum ich euch gerade erst von der Geschichte dieses Landes erzählt habe.«
    »Aber unsere Pferde sind doch auch hier.«
    »Natürlich.«

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