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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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er gerade in den Händen hielt, zu Boden gleiten. »Keine Ahnung, wovon du sprichst.«
    »Du weißt schon, als du mir sagtest, wie toll du es fändest, dass mir Yehsir den Kopf gewaschen hat.«
    »Ach so, das.« Ein schiefes Lächeln verzog Yomis knabenhaftes Gesicht. Yonathans Reumütigkeit wollte schon wieder ins Wanken geraten, aber die nächsten Worte von Yomi sorgten für Entspannung. »Ich habe nicht gesagt, dass ich Yehsirs Zurechtweisung ›toll‹ fände. Ich konnte mich nur ziemlich gut in deine Lage versetzen, weil Kaldek mir auch schon oft so eine Standpauke verabreicht hat. Wahrscheinlich habe ich mich nur ungeschickt ausgedrückt.«
    Yonathan schüttelte den Kopf. »Nein, nein, Yo. Ich habe es nur nicht gleich verstanden. Ich habe dann etwas ziemlich Dummes gesagt.«
    »Ach woher, Yonathan! Ich weiß, dass es mir manchmal an Zartgefühl fehlt. Ich war es, der sich im Ton vergriffen hat.«
    Warum regt er mich heute nur so auf?, fragte sich Yonathan verzweifelt. »Willst du dich etwa mit mir streiten, wer von uns beiden der Dümmere war?«, fragte er, heftiger als beabsichtigt.
    Yomi lachte laut auf. »Nein, Yonathan, lass es gut sein. Du hast gewonnen.«
    Der Knoten war geplatzt. Auch Yonathan lachte, erst unterdrückt, dann aus voller Brust. Diesmal klopfte er Yomi auf die Schulter. Wieder einmal hatte er ihn unterschätzt. Er, Yonathan, hatte gewonnen! Wie schön. Er war also der größere Dummkopf.
    Drei Gesichter wandten sich verwundert in die Richtung der plötzlich ausgebrochenen Heiterkeit.
    »Stimmt was nicht?«, fragte Gimbar besorgt.
    »Nein, nein«, schnaufte Yonathan nach Atem ringend, »Yomi hat mir eben nur gesagt, dass ich ein Riesendummkopf bin«, und lachte weiter.
    Gimbar und Felin wechselten einen Blick, aber dann sagte Yehsir abwinkend. »Lasst sie nur. So verarbeiten sie den Tag. Danach wird es ihnen besser gehen.«
    Yehsir sollte Recht behalten. Yonathan fühlte sich an diesem Abend wesentlich besser als noch wenige Stunden zuvor – innerlich aufgeräumt, klar und sauber wie die Luft nach einem Sommerregen. Er hatte Fehler gemacht und sie eingestanden. Und seine Gefährten hatten ihm verziehen. Nach einem solchen Tag musste man sich einfach besser fühlen!
    Natürlich waren da noch die Beobachtungen, die Yonathan gemacht hatte – das gesattelte Pferd in den Fluten des Wadis. Die Freunde sprachen noch lange in flüsterndem Ton darüber, stellten alle möglichen Vermutungen an. Würde Sethur irgendwo warten und ihnen auflauern? Yomi meinte, dass die Horde des temánahischen Heerführers vielleicht vollständig in den Fluten des Wüstenflusses ertrunken sei und man nur zufällig ein einziges Pferd gesehen habe. Felin hoffte, dass Sethur vielleicht ihre Karawane vor sich wähnte und deshalb schnell nach Osten davonzöge.
    Yehsir meinte schließlich: »Ihr könntet alle Recht haben. Oder auch nicht. Vielleicht rechnet Sethur auch damit, dass wir Abbadon in großem Bogen umgehen. So würde jeder einigermaßen vernünftige Mensch handeln und bis heute früh hatte ich das eigentlich auch vor.«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Yonathan.
    Yehsir lächelte. Im unruhigen Schein des Feuers hatte sein Gesicht etwas Dämonisches. »Es wäre natürlich unvernünftig und wahrscheinlich auch wenig sinnvoll, direkt durch Abbadon hindurchzuziehen. Das würde Sethur nämlich am wenigsten von uns erwarten. Aber…« Yehsir zögerte, als wäre er sich nicht sicher, ob er sie einweihen sollte.
    »Aber?«, drängte Yonathan.
    »Es gibt einen Weg, durch die Stadt zu gehen und es doch nicht zu tun.«
    »Ich glaube, das musst du uns erklären.«
    Yehsir nickte. »Ich gebe zu, das ist schwer zu verstehen, wenn man die genaue Lage der Stadt nicht kennt. Abbadon hatte früher einen Hafen wie heute Cedanor. Anders als in der Kaiserstadt gab es jedoch keinen Nebenkanal, der direkt durch ein Gittertor in der Stadtmauer floss. Der Hafen Abbadons glich eher dem Meerhafen von Meresin: Die Stadtmauern waren ungefähr eine halbe Meile über dem Flussufer errichtet worden, darunter befand sich das Hafenviertel. An klaren Tagen kann man es vom Nordufer des Cedan aus heute noch sehen. Allerdings scheint sich der Lauf des Flusses in den vergangenen zweitausend Jahren etwas verschoben zu haben, beinahe so, als hätte er es nicht länger ertragen können, an den Gebeinen der verfluchten Stadt zu lecken. Die Entfernung zwischen dem Ufer und den ersten Gebäuden des Hafens beträgt heute mindestens eine

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