Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Vor allem hatte er ihre runden Gürteldolche und die Säbel aus schwarzgelbem temánahischen Stahl nicht vergessen. All das kannte er, seit er und Yomi diesen Männern im Verborgenen Land zum ersten Mal in die Hände gefallen waren, diesen Schergen des dunklen Reichs, den Soldaten Sethurs.
»Ihr seid ein bemerkenswerter junger Mann, Yonathan«, drang eine Stimme von der Höhe des Sandhügels herab.
Yonathan musste nicht den Kopf heben, um zu wissen, aus wessen Mund diese Worte stammten. »Auch Ihr seid ein Mann, den man sich lieber zum Freund denn zum Feind wünscht, Sethur.« Als er den Blick über den Dünenkamm und von dort zum Ende der eigenen Karawane wandern ließ, erkannte er, dass eine Flucht aussichtslos war. Die Kette der Reiter, die den Weg zum Garten der Weisheit versperrte, pflanzte sich über die gesamte Düne bis hinter das letzte Packpferd der Karawane fort. Auch linker Hand zogen sie jetzt auf.
»Wie ich sehe, habt Ihr wieder einmal Eurem Namen alle Ehre bereitet, Sethur – Ihr seid wirklich jemand, der es versteht, im Verborgenen zu wirken. Wie habt Ihr es nur geschafft, all diese Männer heil durch die Mara zu bekommen?«
»Einige sind mir leider abhanden gekommen.«
»Wie wär’s, wenn Ihr sie noch mal suchen geht? Wir können ja so lange hier warten.«
»Ihr versucht schon wieder mich zu reizen, Yonathan. Aber diesmal wird der Ausgang ein anderer sein. Ihr wisst, dass meine Bogenschützen Euch mit ihren Pfeilen durchbohren könnten, noch ehe Euer Herz ein zweites Mal schlägt. Daran kann selbst Euer Zauberstab nichts ändern.«
»Das Zaubern überlasse ich Euch, Sethur. Mit Eurem Dünentrick solltet Ihr auf Jahrmärkten auftreten.« Hinter seinen munteren Worten verbarg Yonathan die Anstrengung, mit der er nach einem Ausweg aus der scheinbar ausweglosen Situation forschte. Er musste Zeit gewinnen. »Wenn Ihr schon so freundlich seid, den Diensteifer Eurer Bogenschützen zu zügeln, könnte ich dann möglicherweise erfahren, was der Grund für Eure Zurückhaltung ist?«
»Darüber würde ich gerne unter vier Augen mit Euch sprechen, Yonathan.«
»Und was für einen Nutzen könnten wir davon haben?«
»Ihr könntet unnötiges Blutvergießen vermeiden.« Der Heeroberste Bar-Hazzats wirkte beinahe majestätisch, wie er zu Haupten der Umzingelten auf seinem prachtvollen, schwarzen Pferd saß und ruhig auf eine Antwort wartete. Sein Blick war dabei nicht kalt und berechnend; sonderbarerweise lag in den Zügen des hoch gewachsenen Mannes eher ein Ausdruck des Bedauerns.
Vielleicht tut es ihm Leid, dass seine Jagd nun am Ende ist, dachte Yonathan und entgegnete mit fester Stimme: »Ist das eine neue von Euren Listen, Sethur? Ich erinnere mich, dass Ihr meine Freunde bei unserem letzten Zusammentreffen ertränken wolltet.«
»Das war etwas anderes«, wandte der Heeroberste ein. »Eine Unachtsamkeit der Wachen.«
»Wir werden uns auch heute nicht freiwillig in Eure Hände begeben, Sethur, aber wenn Ihr darauf besteht, dann will ich Euch die Unterredung gewähren.«
Yehsir, Felin, Gimbar und Yomi nahmen das Vorhaben ihres jüngsten Begleiters mit großen Bedenken auf. »Du bist ein unheimlicher Dickschädel! Siehst du nicht, dass das eine ziemlich klare Falle ist?«, wetterte Yomi. Aber Yonathan wollte sich nicht umstimmen lassen. Wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, das Leben seiner Gefährten zu retten, ohne Schmach über den Namen Yehwohs zu bringen, dann müsse er es wenigstens versuchen, beharrte er.
Sethur löste sich aus den Reihen seiner Männer und strebte einem Punkt entgegen, der etwa einen Bogenschuss weit hinter der Karawane lag. Yonathan einigte sich mit Kumi, denselben Platz anzusteuern. Unmittelbar vor Sethurs Rappen zügelte er sein Lemak. Mit gemischten Gefühlen trat er vor den Heerobersten, dessen blutroter Umhang sich effektvoll blähte, als er vom Pferd stieg.
Yonathan kam sofort zur Sache. »Gibt es irgendeinen Weg, sich zu einigen, Sethur? Ihr wisst, dass ich Euch Haschevet niemals aushändigen kann und um den Stab geht es Euch ja wohl, oder nicht?«
Zu seinem Erstaunen zögerte Sethur mit der Antwort. Als er endlich doch die Stimme erhob, wirkte er zornig und verzweifelt zugleich. »Ich kann Euch nicht mit dem Stab in den Garten der Weisheit einziehen lassen. Es ist unmöglich! Seht Ihr nicht, dass ich genauso wenig meinem Herrn die Treue versagen kann wie Ihr dem Euren?«
Stabträger und Feldherr schauten sich lange schweigend in die Augen. In der Rechten
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