Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
überwand sich der ältere und merkte an, dass ein Betreten des Thronsaals bei Strafe verboten sei. Felin ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken.
»Soldat Galkh, Euch ist doch sicher bekannt, dass ich der Sohn des Kaisers bin, nicht wahr?«
»Natürlich, Hoheit.«
»Dann wird Euch sicher auch nicht neu sein, dass ich den gleichen Rang bekleide wie die höchsten Generäle im Reich.«
Der Mann nickte widerstrebend.
»Fein«, schloss Felin. »Seht Ihr dann noch irgendeinen Anlass Euch weiter meinem Befehl zu widersetzen und mir die Schlüssel zu verweigern?«
Galkh schluckte. Er wusste, dass jede Befehlsverweigerung unangenehme Strafen nach sich zog. Langsam griff er an seinen Gürtel, wo sich der Ring mit den Schlüsseln befand.
»Danke«, entgegnete Felin, nach wie vor freundlich. Er nahm die Schlüssel entgegen, schloss die Tür auf und reichte den Ring an den Wachhabenden zurück. »Übrigens«, fügte er noch hinzu, »der Kaiser gab mir persönlich den Auftrag unserem jungen Gast hier alles zu zeigen, was unser Palast zu bieten hat. Und wer kann schon behaupten, den Palastberg von Cedanor gesehen zu haben, ohne je im großen Thronsaal gewesen zu sein?«
Mit diesen Worten schob er Yonathan durch die Tür.
»War das nicht ein bisschen hart?«, flüsterte Yonathan, kaum dass er mit Felin allein war.
»Für sie bin ich immer noch der kleine Hosenmatz, der Kirschkerne nach ihnen schnippt. Wäre der Befehl, die Tür zu öffnen, von meinem Bruder gekommen, sie hätten keinen Moment gezögert, aber in meinem Fall fällt es ihnen schwer, sich unterzuordnen.« Und lächelnd fügte er hinzu: »Manchmal sind diese Soldaten so stur, dass man nur in diesem Ton mit ihnen sprechen kann.«
»Ich hätte gerne auf den Saal verzichtet.«
Felin warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Yonathan, du scheinst ein großes Herz zu haben. Glaub mir, diese Soldaten da draußen können einiges vertragen. Außerdem hast du dich ja im Thronsaal noch gar nicht umgesehen. Wie kannst du da sagen, du hättest gerne darauf verzichtet? Da!« Er drehte Yonathan an den Schultern herum. »Schau ihn dir an. Er ist das Prachtstück Tambars, des größten Baumeisters aller Zeiten.«
Yonathan verschlug es tatsächlich die Sprache. Zweifellos war dies der gewaltigste, beeindruckendste Raum in ganz Neschan!
Über hundert Fuß hoch streckten sich zu beiden Seiten gewaltige Säulen der Decke entgegen. Alle Steinarbeiten bestanden aus – wie konnte es anders sein? – Sedin. Im polierten Fußboden hatte man mit verschiedenen Sedin-Arten feine Ornamente eingearbeitet, die teilweise durch goldene Fugen besonders hervorgehoben wurden. Die Decke war mit riesigen farbigen Gemälden geschmückt, eingefasst in filigrane Steinfriese. Direkt gegenüber dem zweiflügligen Eingangsportal befand sich ein breites Podest, auf dem ein Thron aus Sedin und Gold stand, geschmückt mit zahlreichen vielfarbigen Edelsteinen. Zu beiden Seiten der schmaleren Süd-und Nordwand schwangen sich mehrere Reihen bunter Glasfenster bis in schwindelnde Höhen hinauf und tauchten den riesigen Raum in ein unwirkliches Licht.
All die verschwenderische Pracht war ohne Zweifel dazu angetan, beim Betrachter Ehrfurcht und Staunen zu erwecken. Sie symbolisierte wie kaum etwas anderes die Größe und Macht des Kaiserhauses von Cedan. Doch seltsamerweise wollten sich solche Empfindungen bei dem Untertan an Felins Seite nicht einstellen. Beim Betrachten des Thronsaales, seiner himmelstürmenden Säulen und des prächtigen Sedin-Thrones bemächtigte sich seiner ein beklemmendes Gefühl.
»Was ist mit dir, Yonathan? Geht es dir nicht gut?«
Die besorgte Stimme Felins drang wie von Ferne an Yonathans Ohr. Nur mühsam drehte er den Kopf zur Seite. »Was habt Ihr gesagt?«, stammelte er.
»Du siehst so blass aus? Ist dir nicht gut?«
»Nein, nein«, brachte Yonathan stockend hervor. »Es ist nur… der Saal…«
Felin runzelte die Stirn. Er ließ den Blick durch den riesigen Raum schweifen, fand aber nichts Außergewöhnliches.
»Also ich habe ja schon allerlei Reaktionen auf diese Halle erlebt, aber ich verstehe ehrlich gesagt nicht…«
»Es ist schon gut«, unterbrach Yonathan den Prinzen. »Es war wie eine Erinnerung – nur dass ich mich nicht entsinnen kann, woher ich diesen Saal kennen sollte. Ich war noch nie hier. Wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich gerne wieder gehen.«
Felin nickte und geleitete Yonathan vor das Portal. Draußen bedeutete er den unwirsch
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