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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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fort, »gerade als ich die Gemächer meines Vaters betreten wollte, hörte ich Barasadan erregt sagen: ›Verzeiht, aber das ist absurd, Majestät. Der Stab Haschevet ist eine Ausgeburt primitiver Phantasievorstellungen und nicht mehr. Selbst wenn er bereits vor zwanzig Dekaden existierte, manifestierte sich in ihm doch nie mehr Macht als in Eurem Zepter. Niemals repräsentierte er etwas anderes als die Insignien irgendeines anderen Potentaten.‹ Mein Vater antwortete daraufhin erzürnt: ›Nimm deine Zunge in Zaum, Bara! Der Stab Haschevet ist mehr als ein Amtszeichen der Richter Neschans, auch wenn du das nicht einsehen willst. Ich mag ja nicht gerade streng nach dem Sepher Schophetim leben, aber trotzdem fließt das Blut der Richter in meinen Adern. Wenn es mir gelänge, den Stab an mich zu bringen, hätte das viele Vorteile.‹«
    Yonathan stockte das Blut in den Adern. Er erinnerte sich an Baltans Warnung vor Zirgis’ Schlichen. Er hatte das Gefühl, Felins tiefe blaue Augen könnten durch ihn hindurchsehen und seine innersten Gedanken erkennen. Er schluckte. Doch Felin setzte seinen Bericht mit unverändertem Tonfall fort.
    »Die Meinungsverschiedenheit zwischen meinem Vater und Bara zog sich noch eine ganze Weile hin. Mein Vater brachte zum Ausdruck, dass seine Untertanen ihn, den Urenkel Goels, ja sogar selbst für den siebten Richter halten könnten. Bara erinnerte ihn daran, dass genau jenes Volk es war, das sich vor vielen Generationen einen König erwählte und damit die Leitung Gottes durch seinen Richter verwarf. Wenn man all seine umständlichen Gegenargumente auf den Punkt bringt, dann läuft es wohl darauf hinaus, dass er sich über meinen Vater lustig machte. Das Gerede um den Stab sei Kinderkram, nichts als Humbug, für einen modernen Wissenschaftler eben unannehmbar. Mein Vater geriet darüber ziemlich in Zorn, sodass Bara sich schließlich genötigt fühlte beruhigend auf ihn einzureden. ›Ein Dissens mit Euer Gnaden stand nicht in meiner Disposition‹, versicherte er eilfertig, konnte sich aber doch nicht verkneifen hinzuzufügen: ›Bei einer Saldierung von Aktiva und Passiva erschien mir jedoch das positive Resultat zweifelhaft. Wie konntet Ihr so sicher sein den Stab zu lokalisieren und Euren Einfluss auch auf seinen Eigner zu expandieren?‹ Die Bedeutung der Antwort meines Volkes« – in Felins Worten lag nun eine spürbare Spannung –, »wurde mir erst heute, als ich dich sah, in seiner vollen Tragweite bewusst.« Er zögerte.
    Yonathan hing an den Lippen des Prinzen, hin und her gerissen zwischen Furcht und Zorn. Er fragte sich, ob Felin wohl seine Gedanken lesen könne. Wie es schien, stand er kurz davor, entdeckt zu werden. Als Felin nun die Worte des Kaisers wiederholte, wurden seine schlimmsten Befürchtungen Gewissheit.
    »Er sagte: ›Mein Geheimdienst hat gut gearbeitet. Er trug mir zu, dass der Stab Haschevet in Meresin, vor den Stadtmauern, entdeckt wurde. Ein Geschichtenerzähler hatte ihn gesehen, vor beinahe drei Wochen, in den Händen eines vierzehn oder fünfzehn Jahre alten Jungen.‹ – ›Haschevet in den Händen eines Knaben?‹, zweifelte Bara. ›Wie könnt Ihr wissen, dass es nicht nur eine billige Imitation war?‹ – ›Ganz einfach‹, verkündete mein Vater siegessicher. ›Der Geschichtenerzähler berichtet weiter, dass er sogleich von einer Vision abgelenkt wurde. Irgendjemand zwang ihn, seine Augen von dem Stab und dem Knaben abzuwenden, einer anderen Person in der Menschenmenge zu. Kurz darauf sei der Knabe mit einigen Begleitern in der Dunkelheit verschwunden. Er könne sich nur noch an eines erinnern, meinte der Erzähler.‹« Felins blaue Augen ließen Yonathans Blick nicht los. ›»Der Knabe trug ein längliches Behältnis auf dem Rücken, fast wie ein Pfeilköcher, nur größer…‹«
    Yonathan wusste nicht, was er tun sollte. Ein Bienenschwarm summte in seiner Brust. Am liebsten wäre er aufgesprungen und im Zimmer hin und her gerannt – nur um nicht einfach dasitzen und Felins forschenden Blick ertragen zu müssen. Aber er beherrschte sich, so gut es ging. So ruhig wie möglich fragte er: »Und jetzt glaubt Ihr natürlich, ich sei dieser Junge, oder?«
    »Bist du es denn nicht?«, erwiderte Felin mit sanfter Stimme.
    »Barasadan schien all diesen wilden Geschichten nicht sehr viel Gewicht beizumessen.«
    Felin lächelte; trotz seiner Jugend war es fast ein weises Lächeln. »Mein Vater fügte seinen Ausführungen noch etwas hinzu. Er wies

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