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Nesser, Hakan

Nesser, Hakan

Titel: Nesser, Hakan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Perspektive des Gaertners
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mich nicht interessiert, aber es ist mir
schon klar, dass das kulturelle Goldene Zeitalter dieses Stadtteils nicht auf
die Pflege der Mietshäuser abgefärbt hat. Zumindest nicht, was diesen Schuppen
in dieser Straße hier betrifft - aber vielleicht ist Park Slope genauso Park Slope, wie The Village The Village ist.
Scheinbar grenzenlos, ausufernd, und so soll es auch sein.
    Wir
klingeln und werden von einer Frau, die aussieht wie die kleine Schwester von Liza Minelli in Cabaret, in
einen engen Flur eingelassen. Ganz richtig heißt sie Martha Bowles, unsere Gerbera nimmt sie mit einem vorsichtigen Lächeln
entgegen. Als hätte sie noch nie zuvor Blumen gesehen. Sie erklärt, dass Peter
in der Küche steht und dass es schrecklich nett ist, dass wir kommen konnten.
Dann ruft sie nach Peter und gibt uns jeweils einen roten Drink in einem hohen
Glas.
    Peter
Brockenmeyer sieht aus wie Elvis Costello in seiner Jugend, unversehens fällt
mir ein, dass ich vor vier Jahren in Frankfurt genau den gleichen Vergleich
aufgestellt habe, er trägt ein schwarzes Polohemd und eine große Schürze, auf
der für BAM, die Brooklyn Academy of
Music, geworben wird.
    »Phantastisch,
dass ihr habt kommen können«, sagt er. »Martha und ich haben uns schon
wahnsinnig darauf gefreut, euch zu sehen. Einfach phantastisch.«
    Warum
zum Teufel?, denke ich und hoffe, dass seine Begeisterung nur ein Zeichen der
üblichen amerikanischen Übertreibung ist. Wir nippen jeder an unserem Drink,
der gut ist, eine Art hausgemachter Mojito mit
dem Geschmack von Limone, Minze, Erdbeere und Zimt. Peter geht zurück in die
Küche, Martha, Winnie und ich setzen uns um einen schwarzen Glastisch und
beginnen mit der Konversation.
    Mir
ist übel. Wir reden der Reihe nach über: New York, Europa, Barcelona, Präsident
Bush (für den noch kein Amerikaner, dem ich je begegnet bin, gestimmt hat oder
Sympathie hegt), Brooklyn, Paul Auster, den Drink, Coney Island und Hunderassen (Letzteres, weil nach fünf Minuten
ein brauner Köter ankommt und uns begrüßt, er heißt Truman und sieht aus, als wäre er hundert Jahre alt; Martha
erklärt, dass er ein Rettungshund ist und dass er nicht mehr lange zu leben
hat; sie haben ihn seit zwei Jahren, und als er alle Anwesenden genügend
beschnuppert hat, hinkt er von dannen und legt sich ins Schlafzimmer). Winnie
meistert das Gespräch ganz gut, ich schlucke meine Übelkeit zusammen mit dem
restlichen Drink hinunter und schaue mich im Zimmer um.
    Es
ist klein und voll gestellt. Verschiedene, selbst gebaute Bücherregale vom
Fußboden bis zur Decke, ein Alkoven mit einem gedeckten Esstisch - Peter legt
gerade letzte Hand daran, eilt zwischen Küche und Zimmer hin und her wie eine
Schwalbe mit Jungen im Nest und verkündet zwischendurch, wie weit die
Essenszubereitung ist -, Zwergpalmen, afrikanische Holzskulpturen, eingerahmte
Plakate alter Filme: Der unsichtbare Dritte, Fenster zum Hof, Citizen Kane. Aber auch ein Klavier; ich frage, wer spielt, und Martha
gibt zu, dass sie es ist. Sie arbeitet als Musiklehrerin in einer Schule in
Brooklyn Heights, außerdem
hat sie für drei oder vier Zeitschriften Kulturbeiträge geschrieben und
arbeitet an einem Roman. Sie lesen sich gegenseitig laut vor und schenken
einander Feedback und konstruktive Kritik. Beide haben Kurse in creative
writing absolviert und sind immer noch in einem. Martha
kennt eine ehemalige Freundin von Harrison Moore
ein wenig. Ich habe immer gedacht, Moore sei homosexuell, protestiere jedoch
nicht.
    Wir
setzen uns an den Tisch, essen zunächst stark gewürzte Jakobsmuscheln, dann
eine leckere, knallgelbe Paella. Trinken
eine größere Menge Rotwein. Martha und Winnie werden ziemlich betrunken und
finden einander; nach dem Dessert, Pflaume in Madeira mit Zitronensorbet,
ziehen die beiden um auf das Sofa und tauschen weibliche Erfahrungen aus. Peter
Brockenmeyer und ich sind auch ziemlich angesäuselt, wir bleiben am Tisch
sitzen, wo wir wichtige Fragen behandeln, was die Erzählperspektive im
Allgemeinen betrifft, die von Virginia Woolf im Besonderen, die Postmoderne und
die Demokratie in Europa im Gegensatz zu der in den USA, den Roman und Film Die
Stunden, Sylvia Plaths Selbstmord sowie das mysteriöse
Punktezählen beim Baseball.
    Die
ganze Zeit habe ich immer ein Auge auf Winnie hinten auf dem Sofa, es ist lange
her, dass ich sie in so guter, entspannter Laune gesehen habe wie heute Abend.
Mehrere Jahre sicher, ich spüre einen Hauch von Neid und Ärger darüber,

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