Nesser, Hakan
ihr dankbar sei, dass sie
trotz allem einen Versuch unternommen habe, und sie sagte, ich sei herzlich
willkommen, es noch einmal zu versuchen, sollte sich die Situation nicht
ändern.«
Der
Kellner kommt mit unserem Fleisch, wir fangen beide an zu essen und nicken
einander zu, um zu signalisieren, dass es gut schmeckt. Dann fährt er fort.
»Bevor
ich ging, habe ich die Gelegenheit genutzt und sie danach gefragt, ob sie auch
verschwundene Personen aufspüren könne. Sie antwortete, dass es schon
vorkomme, sowohl was Personen als auch was Dinge betreffe - und Haustiere, vor
allem Haustiere -, und dass es dabei wie mit meiner Ehefrau sei. Oft könne sie
helfen, aber nicht immer. Ich habe ihr erzählt, dass ich einen guten Freund
hätte, der auf der Suche nach einer verschwundenen Person ist, und sie gefragt,
ob sie es für eine gute Idee halte, wenn er einmal bei ihr vorbeischaute. Sie
sagte, er sei herzlich willkommen. Er solle nur anrufen und einen Termin
vereinbaren. Ich bedankte mich und bezahlte ihr Honorar. Sechzig Dollar.«
»Sie
steht nicht im Telefonbuch«, bemerke ich.
»Ich
habe ihre Nummer«, sagt Mr. Edwards. »Sie wünscht offenbar eine gewisse
Diskretion. Und nicht zu viele Klienten.«
»Wie
ist es Ihnen dann gelungen, einen Termin zu bekommen?«, frage ich.
»Ich
habe einfach an ihrer Tür geklingelt. Brauchte nur eine Stunde zu warten.«
Ich
nicke und denke nach. »Und Ihr allgemeiner Eindruck?«, frage ich. »Denken Sie, es
hat Sinn, dorthin zu gehen?«
Er
streicht sich über das Kinn und sieht nachdenklich aus. »Sie hat mich gefragt,
ob der Name meiner Ehefrau mit B anfängt«, sagt er. »Ich habe nie erwähnt, wie
sie heißt.«
»Tatsächlich?«
»Ich
wüsste nicht, was Sie zu verlieren haben«, sagt Mr. Edwards.
Mein
Treffen mit Geraldine Grimaux ist auf elf Uhr vormittags angesetzt, aber ich
verlasse schon kurz nach neun Uhr das Haus.
Es
ist ein schöner, windstiller Herbsttag, die Ginkgobäume entlang der Leroy haben
endlich einige gelbe Flecken bekommen, aber der Bürgersteig ist noch frei von
Laub. Als ich zum Fluss komme, liegt er glatt da, als wäre er aus Glas. Ich
setze mich auf eine der vordersten Bänke auf dem Pier 45.
Hudson
River, denke ich. Der Fluss, der in zwei Richtungen fließt. Früher hieß er
North River. Das ist ein sehr viel schönerer Name als Hudson, aber die
Amerikaner haben nun einmal eine Vorliebe, alles nach großen Männern zu
benennen. Vielleicht ist das eine Krankheit, die auf der ganzen Welt grassiert;
ich weiß nicht, warum ich mir diese unwesentlichen Fragen stelle, aber da ist
etwas mit den Namen in diesem Land, mit den Namen überhaupt, was mir keine Ruhe
lässt. Mir gegenüber, auf der anderen Seite des Wassers, liegen Lackawanna, Weehawken und Hoboken; ich kenne deren Etymologie nicht, und
ich begreife nicht, warum Grimaux in
meinem eigenen Leben herumspukt. Bernard Grimaux und Geraldine Grimaux.
Zwei
blinde Würmer...
Ich
blättere in der New York Times und trinke von meinem Kaffee. Stelle fest, dass
sechs Tage vergangen sind, seit Winnie mich verlassen hat, und fast ebenso
lange ist es her, seit ich an Doktor Vargas geschrieben
habe. Von keinem von beiden habe ich ein Wort gehört; mit dem Schweigen von
Letzterem kann ich zweifellos leben, aber wenn ich nicht bald ein Zeichen von
meiner Frau bekomme, dann bin ich gezwungen, einen anderen Vargas hier in New York aufzusuchen. Und sei es nur, um zumindest
ein wenig Hilfe beim Einschlafen zu bekommen; heute Morgen bin ich um halb
sechs Uhr aufgewacht, alles andere als ausgeruht, und in der momentanen
Situation brauchte ich wahrscheinlich einen deutlich klareren Kopf als den, den
ich gerade herumtrage.
Plötzlich
tauchen Scott und Empire State Building auf. Scott erkennt mich nicht gleich
wieder, ganz anders ESB. Er legt sich mit einem tiefen Seufzer auf meine Füße,
und sein Herrchen nutzt die Situation, um eine Konversation zu beginnen. Er beginnt
mit dem Wetter und dem letzten, katastrophalen Auftritt der Yankees in Washington,
aber bald ist er bei der muselmanischen Weltbedrohung. Ich lasse ihn eine
Weile reden, bevor ich mich damit entschuldige, dass ich einen Termin habe, und
beide verlasse. Scott kümmert sich nicht weiter darum, lässt sich nur auf
meinem vorgewärmten Platz nieder und hält seine Vorlesung weiter, jetzt für den
Hund.
»Mr.
Steinbeck?«
»Ja.«
»Herzlich
willkommen. Bitte, folgen Sie mir in mein Sprechzimmer.«
Sie
ist klein, dünn und französisch, genau
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