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Nesser, Hakan

Nesser, Hakan

Titel: Nesser, Hakan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Perspektive des Gaertners
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Sie arbeitete in einer Apotheke, sie
wusste, was sie tat.
    Von
dieser Minute waren fünfundfünfzig Sekunden vergangen, als ich anrief.
    Es
war zehn Minuten nach fünf Uhr morgens.
    Wir
sprachen wohl eine halbe Stunde lang miteinander. Als wir auflegten, war die
Giftmischung in die Toilette gespült worden, aber wir waren einander immer
noch vollkommen fremd.
    Ebenso
gut könnte ich behaupten, dass ich noch nie einem Menschen so nahe gekommen bin
wie dieser unbekannten Margarete.
     
    31
     
    In
der Nacht nach meinem Ausflug in die Catskills schlafe ich schlecht; vermutlich
träume ich auch noch von Vendler und Tupolsky - von Agnes, der Flucht durch den
Wald und dem Mahlstrom -, aber als ich am Sonntagmorgen aufwache, kann ich mich
nicht daran erinnern.
    Es
ist halb acht Uhr. Ich dusche meine Müdigkeit weg, gehe hinaus und kaufe Brot
und die New York Times, verbringe anschließend noch weitere anderthalb Stunden
im Bett mit Frühstück und den neuesten Nachrichten. Schlafe auch noch einmal
kurz ein, aber als die Uhr auf elf zugeht, sehe ich ein, dass es Zeit dafür
ist, einen neuen Tag in Angriff zu nehmen. Ich weiß, ich sollte mich hinsetzen
und versuchen, das zusammenzufassen, was in den letzten Tagen passiert ist,
all diesen sonderbaren Informationen, die hereingeflutet sind, eine Struktur
geben, aber ich fühle, dass ich momentan nicht in der Lage bin dazu.
Stattdessen beschließe ich zu versuchen, eine gewisse Distanz aufzubauen und
sie so lange zu bewahren, wie es möglich ist. Das erscheint mir mindestens
genauso notwendig.
    Ich
fange damit an, dass ich zum Training gehe, seit dem letzten Mal sind
mindestens zehn Tage vergangen, und es könnte mal wieder an der Zeit sein; ich
packe meine Sporttasche, und zwanzig Minuten später stehe ich auf dem Laufband
bei Equinox in
der Greenwich Avenue.
Ich laufe drei Meilen, trainiere eine halbe Stunde an den Geräten und laufe
noch einmal drei Meilen. Auf dem Weg nach draußen stoße ich auf Frederick
Grissman, der mit seinem Training für heute offenbar auch gerade fertig ist.
»Long time, no see«,
sagt er.
    Ich
nicke. »Hatte so einiges zu erledigen«, erkläre ich.
    »Ich
verstehe«, sagt er. »Arbeit?« Ich nicke.
    »Ein
neuer Roman?«
    »Im
besten Fall.«
    Er
lacht höflich. Dann schaut er auf die Uhr und fragt, ob ich nicht Lust habe,
mit zum Brunch zu
gehen. »Wo?«, frage ich.
    »Cornelia
Street Cafe«, antwortet er. »Wir sind mehrere. Sag doch deiner Frau auch
Bescheid, es ist ja ganz in der Nähe eurer Wohnung. Wir haben einen Tisch für halb
drei reserviert.«
    »Sie
ist momentan nicht in der Stadt«, erkläre ich. »Aber in Ordnung, ich komme mit.«
    Weil
es nicht nur wir beide sind, denke ich.
     
    Die
anderen, das sind fünf Leute: zwei Paare - ein jüdisches Heteropaar, ein
spanisch-irisches Homopaar - sowie eine alleinstehende, schwangere Frau namens
Anastasia mit Wurzeln in Rumänien. Mit anderen Worten: ein äußerst normales
Quintett in Greenwich Village. Und
außerdem Frederick Grissman und ich. Ich lande zwischen Anastasia und Bob, dem
Iren, alle scheinen einander seit Hunderten von Jahren zu kennen, und das
Gespräch wird in der Lautstärke von Motorsägen geführt. Aber das ist auch im
Rest des Lokals so. Die Menschen in dieser Stadt sind laut, das habe ich schon
früher bemerkt, und wenn es zu laut wird, gibt es nur ein Gegenmittel: noch
lauter zu reden.
    Vielleicht
liegt es an den äußeren Umständen, die alle mentalen Sperren durchbrechen,
dass ich schließlich Bob erzähle, dass ich am Wochenende oben in den Catskills
war, um einige Nachforschungen zu betreiben, und dass ich überlege, später in
der Woche noch einmal dort hinauf zu fahren.
    »Wohin?«,
brüllt Bob.
    »In
die Nähe von Oneonta!«, schreie ich zurück. »Zwischen Delhi und Oneonta.«
    Bob
schiebt sich Rührei und Schinken in den Mund und sagt etwas, was ich nicht
verstehe. Er kaut, schluckt, trinkt einen Schluck Saft und wischt sich den Mund
mit einer Serviette ab.
    »Wir
haben ein Haus da oben!«
    »Was?«,
frage ich nach.
    Er
zeichnet mit der Gabel, ich beuge mich zu ihm, um ihn besser verstehen zu können.
»Na klar. Romario und ich, wir haben da in der Gegend eine Hütte. Romario
benutzt sie auch als Studio. Du kannst sie haben, wenn du willst.«
    Ich
bin nicht verwundert. Nicht mehr. So funktioniert es hier in dieser Stadt. Da
alle die ganze Zeit mit allen reden - über Pläne, freudige Ereignisse,
Geschlechtskrankheiten und psychische Zusammenbrüche, über Wichtiges

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