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Nesser, Hakan

Nesser, Hakan

Titel: Nesser, Hakan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Perspektive des Gaertners
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mit Gittern versehen sind. Ich hole mein
Fernglas heraus und vergewissere mich, dass es sich wirklich um Gitter
handelt; nein, das sind keine Sprossen, es sind zwei regelrechte Fenster mit
Eisengitter davor, und ungefähr in dem Moment, als ich diese Feststellung
mache, wird die Hintertür geöffnet, und ein Mann kommt heraus.
    Er
ist kräftig gebaut mit ein wenig Übergewicht und grauem, schütterem Haar, so um
die fünfundsechzig, wie ich annehme, und er hat einen schmutzigen Blecheimer in
der Hand. Er geht zehn Schritte durchs Gras und kippt den Inhalt des Eimers ins
Gebüsch an der Steinmauer. Fährt dann mit einer Harke, die an der Mauer lehnt,
durchs Gras und geht zurück ins Haus. Kompost, denke ich.
    Tom
Fischerman, denke ich außerdem. Nett, Ihre Bekanntschaft zu machen.
    Dann
geschieht in den nächsten fünfundvierzig Minuten nichts mehr, abgesehen davon,
dass ich Kaffee trinke und ein Brot esse. Ich überlege eine Weile, ob ich meine
Position verändern soll, komme aber zu dem Schluss, dass es dafür keinen Grund
gibt. Noch nicht.
    Ich
habe Zeit, über einiges nachzudenken. Ungeordnete Erinnerungsbilder aus sieben
Jahren mit Winnie tauchen in meinen Gedanken auf und erlöschen wieder. Gute
wie schlechte.
    Und
Sarah. In erster Linie Sarah; ihr leicht spöttisches Gesicht, das sie
aufsetzte, wenn sie ein Geheimnis hatte, das sie gern für sich behalten und
gleichzeitig auch verraten wollte. Sie kommen und gehen, diese
Erinnerungsbilder. Ich habe das Empfinden, als würde etwas Wichtiges und
Endgültiges in meinem Kopf sprießen, spüre gleichzeitig, dass ich anfange zu
frieren, und das hindert mich daran, wirklich auf den Punkt zu kommen.
    Genau
in dem Augenblick, als ich denke, ich hätte doch noch einen Pullover mehr
überziehen sollen, wird meine Aufmerksamkeit von einer kleinen Bewegung in
einem der vergitterten Fenster geweckt, in dem, das von meiner Position aus
gesehen am weitesten rechts liegt.
     
    Eine
dünne Gardine wird zur Seite geschoben, und im untersten, linken Gitterquadrat
erscheint plötzlich ein Gesicht. Mein Herz und mein Blut identifizieren es,
bevor es meinem Gehirn gelingt, ich habe das Gefühl, als hätte ich einen
kräftigen elektrischen Schlag abbekommen oder einen Tritt, direkt in den
Brustkorb.
    Es
ist ein bleiches, abgemagertes Gesicht mit Augen, die unnatürlich groß
erscheinen, schnell taste ich nach dem Fernglas, und es herrscht nicht der
geringste Zweifel. Das ist Sarah.
    Eine
andere Sarah. Sechs Jahre statt viereinhalb. Achtzehn Monate später, und ein
Gesicht, gezeichnet von neuen Erfahrungen, von denen ich mir weder eine Vorstellung
machen kann noch will. Ihr dickes Haar ist verschwunden; plötzlich erinnere
ich mich an ein Bild, das ein kleines Mädchen mit Tuberkulose darstellte, der
Name des Künstlers fällt mir nicht ein, aber genau so sieht sie aus. Ein Kind,
das nichts anderes zu erwarten hat als den Tod; es sind ihre blassen,
vergrößerten Augen und diese leblosen Haarsträhnen auf dem Kopf, die diesen
Eindruck in erster Linie hervorrufen.
    Aber
sie ist es. Sie schaut auf etwas vor dem Fenster. Vielleicht auf einen Vogel
in einem Baum, ich weiß es nicht. Ich kann es nicht sehen, aber möglicherweise
wünscht sie sich genau in diesem Moment, während sie in ihrem verriegelten Zimmer
steht, während ich zwischen diesen zehntausendjährigen Steinblöcken liege und
fast nicht mehr atmen kann, sie wäre ein Vogel. Wir haben häufiger in dieser
Art von Vögeln gesprochen, damals, zu einer Zeit, die so lange her ist, dass
Sarah sich vielleicht gar nicht mehr daran erinnern kann.
    Und
mein leichtes Frösteln ist augenblicklich in eine Art Schüttelfrost
übergegangen; ich kann es nicht beschreiben, aber es ist verwandt mit dieser
damaligen akuten Blindheit, und einen Moment lang habe ich Angst, von einer
Lähmung befallen zu werden. Nie wieder meinen Platz in diesem fremden Wald
verlassen zu können. Dass ich hier zwischen diesen uralten Steinblöcken
sterben werde, mit diesem verzweifelt sterilen Bild der ausgemergelten, aber
lebendigen Sarah auf der Netzhaut, ohne dass es mir jemals möglich gewesen
wäre, mich ihr zu nähern.
    Ohne
dass ich sie in meine Arme hätte schließen können, den Mund an ihr Ohr legen
und vorsichtig flüstern, dass jetzt, jetzt alles gut werden wird.
    Dann
erwacht endlich das Adrenalin in meinen Adern zum Leben, und mein Körper füllt
sich langsam mit einer anderen Art von Brennstoff.
     
    Es
dauert eine Weile, eine neue, bessere Position

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