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Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit

Titel: Nesthäkchen 05 - Nesthäkchens Backfischzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Annemarie aus ihrer Verbannung. Möglichst unauffällig mischte sie sich unter die anderen Schülerinnen. Die hatten sofort, nachdem Fräulein Neubert die Klasse verlassen, das Pult gestürmt.
    »Ihr seid alle fünf unter Tadel geschrieben, und Annemarie Braun hat einen Doppeltadel«, rief eine, die als erste das Klassenbuch erwischt hatte.
    Jämmerliches Schluchzen übertönte sie.
    »Ruhig, Kinder! Heule doch nicht wie ein mondsüchtiger Mops, Marianne. Der Tadel wird ja wieder gestrichen.« Vergeblich versuchte Annemarie Braun, sich Gehör zu schaffen. Da sprang sie kurzentschlossen auf den Lehrerstuhl.
    »Ruhe!« schrie sie mit ihrer ganzen Lungenkraft in den Tumult hinein. Und nochmals: »Ruhe!«
    Wirklich, die Wogen der Erregung glätteten sich. Neugierig schaute alles zu der jungen Sprecherin hoch oben auf dem Lehrerstuhl.
    »Schließt die Tür«, befahl Nesthäkchen. »Ich habe euch Wichtiges zu sagen.«
    Selbst Marianne Davis hielt im Jammern inne und spitzte neugierig die Ohren.
    »So geht das nicht weiter«, verkündete Annemarie den aufhorchenden Mädchen.
    »Wir dürfen uns eine derartige, unwürdige Behandlung nicht länger gefallen lassen. Wißt ihr, was wir tun werden?«
    Keine wußte es.
    »Wir gründen einen Schülerrat!« Wie eine Offenbarung klang es.
    »Einen ... was ...?« Die Untersekunda wußte jetzt nicht mehr als zuvor.
    »Einen Schülerrat ... habt ihr denn noch nie was davon gehört?« Nesthäkchen kam sich ungeheuer überlegen vor, obwohl es selbst noch nicht allzulange das Wort in seinen Sprachschatz aufgenommen hatte.
    »Was ist denn das für ein Ding, so ein Schülerrat?« Dichter umdrängte man das Klassenpult.
    »Ein Schülerrat, das ist eben ... na, wie kann man so was bloß nicht wissen! Ein Schülerrat ist eben ein ... Schülerrat«, setzte die junge Rednerin höchst klar auseinander.
    Verdutzt sahen sich die Schulkameradinnen an.
    »Versteh' ich nicht«, sagte Marlene Ulrich ehrlich.
    »Na, Schülerräte werden jetzt gegründet, damit wir uns nicht mehr alles von den Lehrern gefallen lassen müssen. Wir Schülerinnen haben auch unser Recht«, Annemarie war ungeheuer stolz auf ihre Kenntnisse.
    »Ja, wie machen wir das denn, wenn wir solchen Schülerrat gründen wollen?« fragte eine zweifelnd.
    Annemarie zog die Stirn kraus und dachte angestrengt nach. Eine derartige Gründung war eine feierliche Handlung, die würdig begangen werden mußte.
    »Wir heben die rechte Hand hoch und sprechen alle zusammen die Worte der Eidgenossen auf dem Rütli: 'Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern ... ach nein, Schwestern, in keiner Not uns trennen und Gefahr'.«
    Das fanden sie alle sehr schön und feierlich. Nur Marlene gab zögernd zu bedenken: »Wenn uns Fräulein Neubert nur nicht wieder einen Tadel deswegen einschreibt.«
    »Kann sie ja gar nicht mehr, wenn wir erst unseren Schülerrat haben«, triumphierte Annemarie. »Also hebt die Hand hoch ... die rechte, Vera ... sprecht nach: 'Wir wollen sein ein einig Volk von Schwestern, in keiner Not uns trennen und Gefahr'.« Laut und feierlich erschallte es durch die Untersekunda.
    »Nanu ... führen Sie Wilhelm Tell hier auf?« erklang es da verwundert von der Tür her in den Schwur hinein. Professor Möbus betrat die Klasse zur französischen Stunde.
    Hui ... war der Schwarm auseinandergestoben und auf den Plätzen. Viel Aufmerksamkeit war heute nicht in der französischen Stunde. Der Schülerrat spukte in den Mädchenköpfen.
    »Um Mitternacht müssen wir zusammenkommen und den Eid ablegen, bei Mondschein«, flüsterte Ilse Hermann.
    »I wo, Bonbons müssen wir morgen alle mitbringen zur würdigen Feier«, schlug Marianne vor. Da war es wohl kein Wunder, daß die Übersetzung der »Athalie« nicht sehr flott ging und die Noten, die sich der Französischlehrer in sein Büchlein schrieb, nicht besonders ausfielen. Nach Beendigung der Stunde scharte man sich wieder um die Gründerin des Schülerrates.
    »Wir müssen einen Vorstand wählen«, schlug eine vor, deren Vater in vielen Vereinen tätig war.
    »Ja, natürlich« ... »Annemarie Braun muß in den Vorstand« ... »Sie soll sich selbst die übrigen wählen.« Eine überschrie die andere.
    »Schön.« Annemarie nahm gnädig die Wahl an. »Ich wähle Marlene, Ilse, Vera und Marianne in den Vorstand.«
    »Nein, lauter Freundinnen, das geht nicht«, erhob eine Widerspruch. »Und ich möchte auch gar nicht in den Vorstand«, wandte Marlene ein. »Erst muß ich sehen, wie die Sache mit dem

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