Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken
hatte. Nur an dem rechten Zeigefingerchen entdeckte die Mutter eine kleine Brandblase. Annemarie tat alles Notwendige mechanisch wie ein Automat. Herr Pfefferkorn ging an sein Wandschränkchen, füllte ein kleines Spitzgläschen mit Kognak und reichte es der bleichen, jungen Frau.
»Trinken Sie, liebe gnädige Frau, das gibt Ihnen neuen Lebensmut.« Annemarie nahm gehorsam ein paar Tropfen. Dann aber schlug sie die Hände vors Gesicht. »Mein Mann ... mein lieber ...!« Die letzten Worte erstickten in einem Tränenstrom.
Als die Kinder die Mutter weinen sahen, begannen auch sie wieder ein Heulduett. »Sei ruhig, Mäuschen.« Unbeholfen wollte der alte Junggeselle Klein-Ursel auf den Arm nehmen, um sie zu beruhigen.
Aber die Wirkung war eine entgegengesetzte. Klein-Ursel wehrte sich, kratzte und schrie dazu wie am Spieß: »Oller Bubumann ... deh wett, oller Bubumann!«
Auch bei Hansi hatte Herr Pfefferkorn mit seinen Tröstungen nicht viel besseren Erfolg. Nur daß der Kleine schrie: »Hansi Anst ... Bubumann soll hausdesmeißt werden!«
Ein Lächeln zog über das Gesicht des Alten. Die Kinder hatte er liebgewonnen aus der Entfernung. Und jetzt wollten sie ihn 'rauswerfn »Rudi ... Rudi ...« Annemarie schrie plötzlich auf und wollte zur Tür hinaus. Sie sah wieder die fressenden Flammen, die den geliebten Mann umzüngelten.
»Herzle ... was regst dich denn gar so arg auf!« Eine wunderbar beruhigende Wirkung hatte diese Stimme. Da war er, frisch und unversehrt. In der einen Hand die eiserne Kassette, in der andern das Bauer mit dem flatternden Mätzchen.
»Rudi ... Gott sei Dank, daß ich dich wiederhabe!« Sie hing an seinem Hals weinend und lachend zugleich. Sie streichelte seine rauchgeschwärzten Wangen.
»Die Feuerwehr ... da ist bereits die Feuerwehr. Das nenne ich schnell wie der Blitz!« rief Herr Pfefferkorn.
Klinglinglingling - da hielt die Feuerwehr drüben vor dem qualmenden Arzthaus. Wie der Wind war die Mannschaft von den Wagen; Leitern wurden abgeladen, Spritzen in Bereitschaft gestellt.
Schschsch - in gewaltigem Bogen ging der löschende Strahl hernieder. Es war merkwürdig, ebenso schnell wie die Feuerwehr waren auch die müßigen Gaffer zur Stelle. Wo sie hergekommen in dieser stillen Straße, bei dem scheußlichen Regenwetter, blieb ein Rätsel!
Auch kleines Publikum gab es. Hansi empfand plötzlich kein Wehweh mehr - keine Angst vor dem alten Bubumann. Beim ersten Klinglingling der Feuerwehr war er vom Sofa herunter und ließ sich von Herrn Pfefferkorn aufs Fensterbrett heben. Klein-Ursel war konsequenter. Die wollte noch immer nichts vom Bubumann wissen. Vaters Arm war vertrauenerweckender.
Ein grellroter Funkenregen stob in die Luft - zischend kam die lange Gummischlange und ließ ihren Wasserstrahl darauf herniederbrausen.
»Da geht unser Glück in Flammen auf!« flüsterte Annemarie.
»Nein, Herzle, mein lieb's, schlimmstenfalls unser Heim! Das Glück halten wir fest in uns und mit unsern Kindern. Das kann uns nimmer eine Feuersbrunst zunichte machen.« Innig drückte Rudi ihre Hand. Annemarie unterdrückte einen Schmerzenslaut. »Ja, was ist denn, Frauli?«
»Meine Hand muß wohl etwas abbekommen haben.« In der furchtbaren Erregung hatte Annemarie den brennenden Schmerz an der Hand kaum gefühlt. »Aber Herzle ... armes Herzle, das sieht ja arg aus! Geradezu ins Feuer mußt du 'neigefaßt haben in deiner Angst um die Kinder. Wart, gleich mach' ich einen Verband.« Zart und behutsam ergriff Rudi die schmerzende Hand. Verbandzeug trug der Arzt stets bei sich. Öl brachte Frau Lübke herbei. Bald war ein kunstgerechter Verband angelegt, und Annemarie empfand allmählich Linderung. Es brannte nicht mehr gar so arg.
Drüben aber brannte es weiter. Wieder eine glutrote Lohe. »Sseenes Tuckelißt!« rief Klein-Ursel und klatschte jubelnd in die Hände.
»Hat Hansi demacht ... danz erlein demacht!« Kein Künstler konnte stolzer sein Werk beschauen als der kleine Brandstifter.
»Ja, das will mir halt auch so scheinen, Büble, als ob du und die Ursel nit so ganz unschuldig an der Geschichte seid. Jetzt erzähl mal halt, wie war das mit dem Feuer?« begann der Vater die strenge Untersuchung.
»Verschähl mal ... Mutti soll verschählen ... ßöne Deßißte von naschen Swamm!« Trotz der furchtbaren Ereignisse, die sich inzwischen abspielten, hatte Hansi den nassen Schwamm noch immer nicht vergessen. »Nein, du sollst erzählen, Büble.«
Hansi machte ein wichtiges Gesicht. »Also
Weitere Kostenlose Bücher