Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste
Festtagsstimmung. Zum ersten Mal sind wir Pfingsten ohne liebe Einquartierung. Denn das Jungvieh rechnet doch nicht. Das ist doch man bloß für die Kinder.« »Ja, mir tut es auch leid, daß sich keiner aus Berlin fort rühren mag. Meinem Bruder Hans hätte es ganz gewiß gutgetan, aus seiner traurig öden Häuslichkeit herauszukommen. Warum er seine Jungen bloß nicht begleitet? Hartensteins kriechen natürlich wieder nicht aus ihrem Nest heraus, die finden es ja nirgends schöner als in Lichterfelde. Und Urselchen, das arme Ding muß Devisen umrechnen, anstatt sich hier am Meer zu erholen. Blödsinn! Wenn ich eine Tochter hätte...«
»Gut, daß du keine hast, Klaus. Die würdest du wild wie ein junges Fohlen aufwachsen lassen nach deinen Prinzipien, daß Mädel überhaupt nichts zu lernen brauchen. Möchte bloß wissen, warum du denn gerade auf ein Fräulein Oberlehrer reingeplumpst bist«, lachte ihn Ilse aus.
»Ja, das ist ja eben mein Unglück. Deine Gelehrsamkeit hat den Grund zu der Abschreckungstheorie gelegt.« Das war eine ewige Katzbalgerei zwischen Klaus und seiner Frau.
Ilse hatte ihren Kleinen, der auf allen vieren zur Mutter herangekrochen kam, auf den Schoß genommen. »Du bist doch mein Bester.« Sie schmiegte ihr Gesicht an das Bäckchen des Kindes.
»Oho!« Klaus war noch heute eifersüchtig. Sogar auf seine Kinder. »Komm her, Ilse, wenn du auch ein studiertes Frauenzimmer gewesen bist.« Er schlang den Arm um Frau und Kind.
»Anmeiern ist nicht.« Ungeachtet ihrer Worte sah Ilse zärtlich zu ihm auf. »Du, was sollen denn Krischan, Mining und Dörting von uns altem Ehepaar denken. Selbst die beiden dort finden, daß wir bereits aus den Flitterwochen heraus sind.«
Sie wies auf die Hunde, die fliegenschnappend in der Sonne lagen. Es waren Brüder des nach Lichterfelde ausgewanderten Cäsars und glichen ihm wie ein Ei dem andern. Da sie stets beieinander waren, hatte Klaus sie, Ilse und Marlene zu Ehren, die Unzertrennlichen genannt.
Unbemerkt von den beiden war eine dunkelgescheitelte Dame im hellen Sommerkleid vom Erlengrund her über den Schritte dämpfenden Rasen näher gekommen. An dem einen Arm hing ihr weißer Strohhut, am andern ein Mädelchen von etwa sechs Jahren.
»So muß ich euch für das Familienblatt der Zeitung knipsen«, klang es plötzlich lachend hinter dem umschlungenen Braunschen Ehepaar. »Ein glückliches Heim oder heimliches Glück, ganz wie ihr es nennen wollt. Tag, Ilse - Tag, Klaus.«
Lachend reichte sie den beiden die Hand.
»Eine Gemeinheit, unser heimliches Glück derart zu belauschen, Marlenchen«, rief Ilse. Während Klaus den freien Arm auch noch um Marlene Frenssen und um die kleine Vera schlang. »Seid umschlungen Millionen - diesen Kuß der ganzen Welt.« Er begnügte sich aber, ihn als guter Onkel nur der kleinen Vera, einem weißblonden Dingelchen mit den tiefblauen Augen der Mutter, zu verabreichen.
»Wo bleibt der Schwanz?« fragte er, vergeblich nach dem Erlengrund spähend.
»Peter ist mit Lila und Margot zur Bahn gefahren, die Großeltern abzuholen. Wir wollen dem Wagen entgegengehen. Und da der Weg üb …« »Konntest du der Versuchung mich zu sehen, nicht widerstehen«, vollendete Klaus Braun. »Wollen wir auch ein Stückchen mitgehen, Ilse?«
»Meinetwegen. Ich bin zwar nicht in Ausgehform, bin eben erst mit Kuchenbacken fertig geworden. Aber Onkel Heinrich und Tante Kätchen, die wissen ja, daß eine Gutsfrau vor dem Fest noch alle Hände voll zu tun hat.«
In der Ferne ward eine graue Staubwolke sichtbar.
»Die Wagen - die Wagen kommen!« rief die Kleine aufgeregt.
Die Staubwolke kam näher. Die Grotgenheider Füchse tauchten daraus hervor.
Dann wurde der Wagen mit den Insassen sichtbar. Peter Frenssen kutschierte. Seine beiden Mädel saßen drinnen bei den Großeltern.
Die Damen winkten mit den Taschentüchern. Da hielt der Wagen. Der Großvater war ein rüstiger Siebziger, der noch heute mit Augen eines Landmannes die Felder, die man durchfuhr, begutachtete.
»Willkommen, Onkel Heinrich, du wirst mit jedem Jahr jünger. Tag, Tante Kätchen«. Während Marlene und Ilse die alten Herrschaften begrüßten, spähte Klaus seinem Gefährt entgegen.
»Hansi, Junge, die Zügel fester - mehr Faust - hast doch alles wieder verlernt seit dem letzten...« da unterbrach er sich mit erstauntem: »Na, nu brat mir doch einer 'n Storch, aber die Beene recht knusprig! Annemarie, Schwesterseele, wo karrt dich denn der Deubel her? Eine famose
Weitere Kostenlose Bücher