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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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wird schicken euch. »Es fiel Marietta plötzlich schwer auf die Seele, daß sie sich allein so weit entfernt hatte. Man würde sie suchen, sich um sie sorgen. Und hier hatte sie nicht einmal nützen können. Unverantwortlich hatte sie gehandelt, ganz unüberlegt.
    Die armen Menschen hier litten Hunger und Durst, und sie konnte ihn nicht stillen. Eine Wahrheit ging dem reichen, verwöhnten Mädchen hier in dieser Einsamkeit auf: Man mußte lernen, man mußte selbst Hand anlegen können, sich nicht nur von der Dienerschaft abhängig machen. Es konnte Lebenslagen geben, in denen man auf sich selbst angewiesen war. Wollte man anderen Hilfe bringen, mußte man vor allem sich selbst zu helfen wissen. »Fräulein, mich hungert« - unterbrach Lottchen ihre Gedanken.
    »Wasser - nur einen kleinen Schluck Wasser!« kam es seufzend von den Lippen der Frau. Marietta fuhr empor. »Ja, ja, ich gehen sofort. Ich senden Wasser, gute Wasser und Erfrischungen. Haben Sie einen Wunsch noch, liebe Frau?«
    Die Kranke öffnete bei der weichen, mitleidigen Stimme mit Gewalt die fieberschweren Augen.
    »Das Kind - das Kind«, flüsterte sie.
    »O ja, Lotta wird erhalten Essen, gutes Essen«, versprach Marietta bereitwillig. Die Kranke schüttelte den Kopf. Mühselig suchte sie die Worte.«Ich werd's nicht mehr lange machen - das Kind - was wird aus dem Kind.« Dieser Gedanke schien sie in ihren Fieberträumen entsetzlich zu quälen.
    »Wenn der Arzt wird kommen, Sie werden ganz gesund, liebe Frau.« Tränenschwer klang Mariettas Stimme. Der Jammer der Verlassenen griff ihr ans Herz.
    »Ich will nicht mehr - ich kann nicht mehr - nur mein Kind - mein Lottchen.«
    »Meine Mutter wird sorgen für ihr.« Dieselbe Mutterliebe, die aus diesen verängstigten, mühsamen Worten der Schwerkranken sprach, empfand ja auch ihre Mutter. Die Mutterliebe war reich und arm gemeinsam, verband sie miteinander.
    Wieder schüttelte die Kranke das Haupt. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie zu sprechen vermochte. Der Atem ging keuchend, stoßweise: »Nicht hierbleiben - das Kind soll fort - nach Deutschland - zu meiner Mutter - im - im lieben Heimatland - Wasser - nur einen Tropfen Wasser.« Ihre Gedanken begannen sich aufs neue zu verwirren.
    So unerfahren das junge Mädchen war, sie sah, sie fühlte, daß hier noch ein anderer Gast bald die Hütte betreten würde - der unerbittliche Sensenmann.
    »Bringe mir zurück zu meine Pferd, Lotta, daß ich kann schicken Hilfe«, wandte sie sich an das Kind. Noch einen Mitleidsblick zu der Ärmsten auf ihrem Blätterlager, dann stand Marietta wieder draußen in der glühenden Tropensonne. »Welchen Weg wir müssen gehen, Lotta?« Das Kind zuckte die Achsel.
    »Ich weiß nicht«, sagte es schließlich nach längerer Überlegung.
    Das junge Mädchen stand ratlos. In welche Richtung sollte sie sich wenden? Die Lehmhütten, die einigen Anhalt boten, sahen alle eine wie die andere aus. Aber da waren ja die kleinen Negerkinder, die noch immer im Sand spielten, an denen waren sie vorhin vorübergekommen. Also mußte dieser Weg der richtige sein. Aber waren es auch dieselben Kinder? Die Negerkinder gleichen sich ja mit ihren schwarzwolligen Krausköpfchen wie ein Ei dem anderen. Auf gut Glück schlug Marietta den Weg an den spielenden Kindern vorüber ein. Wenn er sie nur heimbrachte, wenn er nur nicht in die entgegengesetzte Richtung führte! Es war für einen Fremden gar nicht möglich, sich aus diesem Labyrinth der Kaffeeplantagen mit seinen Kreuz- und Quergängen herauszufinden. Ein richtiger Irrgarten. Immer wieder stand man unschlüssig vor neuen Wegen. Dazu brannte die Sonne von Minute zu Minute glühender. Marietta, die als mütterliches Erbteil die Tropentemperatur lange nicht so gut vertrug wie ihre Zwillingsschwester Anita, fühlte sich total erschöpft. Das Kind neben ihr weinte vor Hunger und konnte ihr gar nichts nützen. Dazu empfand es Marietta als ein Unrecht, daß sie das Kind von dem Sterbelager der Mutter mitgenommen hatte. Aber allein hätte sie sich nie und nimmer in diese endlose, grüne Wildnis hineingewagt. Noch nie in ihrem vierzehnjährigen Leben war sie einen Schritt außerhalb des Hauses allein gegangen.
    Kein Mensch ringsum. Keine Plantagenarbeiter, die man um den Weg fragen konnte. Das Singen, das sie auf dem Hinweg vernommen hatte, war verstummt. Es fehlte nicht viel, dann hätte Marietta es wie ihre kleine Begleiterin gemacht - geweint. Nur mit aller Gewalt hielt sie die Tränen

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