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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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zurückgestellt. Vor allem heißen Kaffee.«
    »Weshalb die Leute sich bloß immer den Sonntagnachmittag zum Krankwerden aussuchen ... Schade um unsere Skatpartie!« meinte Hans Hartenstein gemütvoll. »Messen wir die Kräfte im Schach - ich bin dir noch Revanche für neulich schuldig, Hans«, schlug sein Schwager Georg Ebert vor.
    »O weh, da geht mir's wieder an den Kragen. Mit einem Schulmeister darf man sich nicht einlassen.« Trotzdem brachte er den Schachtisch und die Zigarrenkiste des Vaters herbei. Denn Frau Annemarie mußte all ihre Lieben um sich haben.
    Selbst der Skattisch wurde am Sonntagnachmittag aus dem Herrenzimmer ins Familienzimmer transportiert. Gerda half Frau Trudchen beim Abräumen der Tassen. Sie war geschickt und umsichtig für ihr Alter. Lilli durfte mit dem Krümelbesen den Tisch abfegen. Eva die Stühle zur Seite setzen. Edchen holte das Bilderlotto, das Sonntagslieblingsspiel, aus der Kinderecke, wo all die schönen Spielsachen für die Enkel aufgestapelt waren.
    Das Spiel begann. Omama mußte natürlich mitspielen. Die beiden Schwägerinnen plauderten bei der Handarbeit.
    »Siehst du, Vronli«, meinte Frau Ruth halblaut, »schon als Kind und Backfisch, als ich in euer Haus kam, erschien mir eure Mutter als der Inbegriff aller Anmut, Heiterkeit und Güte. Was habe ich, die Elternlose, Ursel um ihr liebes Mütterchen beneidet. Ich ahnte damals nicht, daß ich hier selbst später ein warmes Elternhaus finden würde.«
    »Ein Haus - eine Blume - ein Schiff', rief Gerda die Kärtchen aus.
    »Mit dem Schiff kannst du nach Amerika fahren, Omama«, meinte ein Enkelchen.
    »Ja, nach Brasilien zu Tante Ursel.« Für die Kinder war Brasilien das Paradies, aus dem ab und zu die großen Kisten mit allen Herrlichkeiten kamen.
    »Ich wünschte, ich könnte mit dem Schiff hinfahren.« Omama sah gar nicht mehr so lustig aus.
    »Ist noch nicht wieder Nachricht von Ursel gekommen, Mutterle?« erkundigte sich Vronli. »Seit dem Januarbrief, in dem sie von dem kleinen deutschen Mädchen schrieb, das sie ins Haus genommen hatte, und nach dessen Angehörigen man forschen sollte, nichts weiter.« »Zu deinem Geburtstag im April ist die Ursel diesmal sicher da«, tröstete Vronli. »Meinst du, Kind?« Frau Annemaries Gesicht verklärte sich. Die Vronli fand doch immer das rechte Wort.
    »Ein Ring - ein Vogel - ein Brief«, rief Gerda aus.
    »Omama, du paßt ja gar nicht auf«, beschwerte sich Edchen. »Der Brief ist für dich, der kommt aus Amerika.«
    »Hast recht, mein Jungchen. Omamas Gedanken waren nur mal ganz geschwind nach Amerika gereist.«
    Da kam Frau Trudchen aufgebracht herein.
    »Dacht' ich mir's doch. Kunze soll gleich nach der Klinik kommen. Herr Jeheimrat will heute abend noch operieren. Und was Frau Jeheimrat ist, soll nich etwa mit 'n Abendbrot warten. Nu muß ich Kunzen erst expedieren.« Raus war sie wieder.
    »Keine Ruh' bei Tag und Nacht«, begann Hans Hartenstein zu pfeifen. »Jungs, alles könnt ihr werden, meinetwegen Mistbauer, nur nicht Arzt.«
    »Ich werde Konditor«, erklärte Edchen prompt.
    »Nein ich - nicht wahr, Mutti, ich?« bettelte der Kleinste.
    »Ich hab' es zuerst gesagt.«
    »Ihr werdet alle beide Konditor, du wirst Edchens Kompagnon, Heinzelmann«, entschied die Großmama lachend mit salomonischer Weisheit.
    Bilderlotto, Domino, Feuer, Wasser, Kohle und Trip, trap, trudel, ein Würfelspiel, das nur die Omama verstand, wurden programmäßig, wie an jedem Sonntag, erledigt. Dann brachte Frau Trudchen die geschlagenen Zuckereier, die die Lichterfelder Hühner ganz besonders schön für die Enkelchen zu legen hatten. Erst am späten Nachmittag zog die Zehlendorfer Gesellschaft ab. Eberts blieben bis über das Abendbrot. Dann mußten auch sie heim. Sie hatten einen weiten Weg bis zum Norden Berlins.

Schiff in Sicht
     
    Im Alsterpavillon traf sich die vornehme Welt Hamburgs zum Fünfuhrtee. Seidenkleider, gedämpftes Frauenlachen, künstlerisch gespielte Weisen der Musikkapelle. Elegante Damen beobachteten durch das Fenster die am Jungfernstieg Vorübergehenden. Fremde aus allen Erdteilen mit typisch geschnittenen Gesichtszügen, mit Hauttönen vom Zitronengelb bis zum dunkelsten Braun, schlürften ihren Mokka und blickten voller Interesse auf das europäische Leben, das sich da vor ihnen abrollte.
    An einem der runden Tische, mit dem Blick nach der Binnenalster, nahmen ein Herr und eine Dame den Kaffee. Es waren ältere, vornehm aussehende Herrschaften in Reisekleidung.

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