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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Elefanten als Haustier halten. Anita war ja ganz närrisch nach dem kleinen, braunhaarigen Gesellen. Sie spielte mit ihm wie mit einem Kätzchen. Saß man gemütlich auf dem Gartenplatz unter der Linde - Jimmy durfte nicht dabei fehlen. Der saß Anita auf dem Schoß oder gar auf ihrer Schulter. Der erschreckte die Großmama alle Augenblicke mal durch irgendeinen unvorhergesehenen Sprung oder durch einen Übergriff auf Kuchenoder Obstkorb. Anita lachte dann wie ein Kobold, und auch Marietta stimmte silberhell mit ein. Und was tat die gute Großmama? Sie lachte mit. Nur damit konnte sich die Großmama durchaus nicht einverstanden erklären, daß die Enkelin das Äffchen mit hinauf in ihr Zimmer nahm. Jimmy machte es sich dann mit Vorliebe in den Betten bequem. Und ein Affe in ihrem schönen, gestickten Leinen, nein, dem hielt selbst alle Großmutterliebe nicht stand. Frau Annemarie und Jimmy betrachteten sich gegenseitig weiter mit Mißtrauen und Abneigung.
    Am wenigsten Unruhe im Haus verursachte das fremde Kind, nach dessen Angehörigen bisher erfolglos Nachforschungen angestellt worden waren. Die Mutter hätte gesagt, in Westfalen seien sie zu Hause, war alles, was Lottchen zu berichten wußte. Sie selbst hieß Lottchen Müller. Wie aber der Mädchenname ihrer Mutter und gleichzeitig der ihrer deutschen Großeltern gewesen war, das wußte das Kind nicht. In der »Westfalenpost« war schon dreimal eine seltsame Annonce erschienen: »Angehörige der kleinen Charlotte Müller, siebenjährig, aus Ribeiräo Preto in Brasilien gesucht. Meldungen bei Geheimrat Dr. Hartenstein, Berlin-Lichterfelde, Berliner Straße 20.«
    Bisher waren die Annoncen erfolglos geblieben. Keiner meldete sich, der für Lottchen Müller verwandtschaftliches Interesse hatte. So blieb die Kleine vorläufig in Licherfelde als Pflegekind des Kunzeschen Ehepaares. Frau Annemarie mit ihrem warmen Herzen hatte das verwaiste Kind an ihren eigenen Tisch mit aufnehmen wollen. Aber der besonnene Geheimrat hatte nach reiflicher Überlegung dafür gestimmt, daß man es bei Kunzes einquartierte. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammte das Kind aus einfachen Kreisen. Es durfte in ihrem Haus nicht verwöhnt werden, daß es sich, falls die Verwandten gefunden wurden, auch nachher in bescheidenen Verhältnissen wohl fühlte. Kunzes hatten keine Kinder und waren glücklich mit dem Töchterchen. Lottchen war ein liebes, ruhiges Kind, das keine Mühe machte und Frau Trudchen schon manche kleine Handreichung abnahm.
    »Unser Lotteken ist die Beste von der janzen Tropengesellschaft!« Darin waren sich Kunzes einig.

Der erste Spaziergang
     
    Heute wollte die Großmama die Verwandten in Zehlendorf mit den Enkelinnen aufsuchen. Dabei gab es eine Meinungsverschiedenheit. Die Großmama war trotz ihrer Jahre gut zu Fuß und freute sich auf den Spaziergang mit den beiden Enkelinnen. Anita und Marietta waren nicht an Spazierengehen gewöhnt. In Brasilien hatte stets eines der Autos für sie bereitgestanden. Fräulein Anita wünschte ein Auto zu nehmen und zu den Verwandten hinzufahren. Auch Marietta wunderte sich darüber, daß die Großmama zu Fuß gehen wollte. Aber sie achtete die Wünsche der Großmama, während Anita auf ihrem Kopf bestand.
    »Warum nicht nehmen Auto, ist viel mehr schnell, wir sparen Zeit«, meinte das praktische Amerikanerkind.
    »Wir sparen Zeit, aber nicht Geld. Wenn wir gehen, sparen wir Geld und genießen obendrein noch den schönen Spaziergang, der unserer Gesundheit zuträglich ist. Also zieht euch an, Kinder«, sagte die Großmama in ihrer frischen Art. Anita rührte sich nicht.
    »Ich will nicht gehen. In Sao Paulo nur arme Leute gehen; reiche Leute fahren in Auto.« Das klang wieder hochmütig.
    »Ja, Anita, dann wirst du hier oft zu Hause bleiben müssen. In Deutschland gehen die Leute meistens zu Fuß, auch viele Reiche. Dann kannst du uns ja niemals auf unseren Spaziergängen begleiten«, sagte die Großmama in bestimmtem Tone. »Gut - werde ich bleiben zu Hause.« Die Sache war für Anita erledigt. »Und du, Marietta? Wie ist es mit dir? Soll ich allein gehen?«
    Das war ein schwerer Entschluß für die junge Enkelin. Das Blut kam und ging in ihrem zarten Gesicht. Sie blickte auf die Großmama und dann wieder auf die Zwillingsschwester. Sie pflegte sich niemals von Anita zu trennen. Auch konnte sie sich das Spazierengehen in der Tat nicht so angenehm vorstellen, wie in einem Auto zu fahren. Aber wiederum die Großmama allein gehen lassen -

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