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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Jedenfalls änderte diese Aussprache nichts. Die Miß ließ sich »vorn und hinten bedienen«, wie Frau Trudchen aufgebracht meinte. Frau Annemarie schrieb in ihrem ersten Bericht nach Brasilien höchst energisch, ob es nicht ratsam sei, Miß Smith den Laufpaß zu geben, da ihr Fortgehen weder bei den jungen Mädchen noch in ihrem Hause irgendeine Lücke hinterlassen würde. Vorausgesetzt, daß der Großvater sie nicht schon früher hinauskomplimentieren würde. Jeden Mittag befürchtete Frau Annemarie dies; halb fürchtete sie es, halb hoffte sie es.
    Auch die anderen Gäste aus dem Tropenland erfreuten sich nicht einwandfrei der Sympathie der Lichterfelder Hausbewohner. Derselbe geheime Kriegszustand, der zwischen dem Geheimrat und der Engländerin herrschte, bestand zwischen der sonst so gutmütigen Frau Trudchen und dem kleinen Neger. »Der Mohr« hatte sich noch immer nicht ihre Zuneigung erworben, obwohl er anstellig und willig war und ihr die vermehrte Arbeit abnahm. Aber Homer war von einer unglaublichen Naschhaftigkeit. Nichts war sicher vor ihm, vor allem nichts Süßes.
    Bei Geheimrats war man nicht daran gewöhnt, Speisekammer und Vorratsschränke abzuschließen. Da stand auf den Regalen, wie Soldaten aufmarschiert, das Heer der herrlichsten eingeweckten Früchte. Vor allem die Gartenerdbeeren, die der Geheimrat besonders liebte, waren Frau Trudchens Stolz. Jeden Tag fehlte ein Glas davon. Homer schien diese Vorliebe mit dem Geheimrat zu teilen. Zuerst fiel der Verdacht auf Jimmy. Man verbannte den Affen aus dem Hause und verurteilte ihn zu Einzelhaft in dem Lattenhäuschen, das Kunze für ihn gezimmert hatte.
    Aber merkwürdig - die Erdbeergläser, die Marmeladentöpfe, die große Blechbüchse, in der man Kuchen zu verwahren pflegte, leerten sich trotzdem. Homer war zu keinem Geständnis zu bringen, er schüttelte hartnäckig den Kopf auf alle Fragen. Das einzige, wovor er Furcht hatte, waren Schläge. Und da Donna Anita ihn nicht mehr prügelte und das auch sonst keiner in Deutschland besorgte, blieb er weiter der stille Teilhaber bei Großvaters Erdbeeren. Bis Frau Annemarie auf den Gedanken kam, ein Glas Erdbeeren zu opfern und es mit scharfem Senf zu mischen. Von da an legte sich Homers Vorliebe für eingekochte Erdbeeren. Nicht aber die für alles Grelle, Bunte und Glänzende. Wo er einen farbigen Fetzen fand, steckte er ihn zu sich. Eines Tages fehlte der schöne bunte Lampenschleier und wollte sich trotz allen Suchens nicht finden lassen. Wieder verdächtigte man den unschuldigen Jimmy. Bis man den Lampenschleier schließlich als Halstuch an Homers Halse entdeckte. Auch blanken Teppichnägeln, Messinggriffen an den Schränken, ja, sogar dem spiegelblank geputzten Nickelaschenbecher des Geheimrats konnte Homer nicht widerstehen. Eins nach dem anderen verschwand. »Der Mohr stiehlt wie 'n schwarzer Rabe. Jeheimrats werden noch ihren Schaden bei Lichte besehen.« Frau Trudchen hätte Homer lieber heute als morgen ins Tropenland zurückbefördert.
    Und noch zwei gab es, die einen stillen Kampf miteinander führten. Das waren die Großmama und Jimmy. Anita hatte es in Sao Paulo bei der Mutter durchgesetzt, ihr Äffchen mit nach Europa nehmen zu dürfen. Sie hatte auch in Deutschland den Großvater herumgekriegt, daß Jimmy nicht in den Zoologischen Garten wanderte, wie die Großmama verlangte, sondern vorerst zur Probe in Lichterfelde geduldet wurde. Jimmy war ja so lieb, so brav, ganz zahm war er - oh, die Großmama würde bald gut Freund mit Jimmy sein, hatte Anita versichert. Und als ob das Äffchen wußte, daß es eine Probezeit galt, benahm es sich tatsächlich musterhaft artig. Kunze, der einen Narren an dem possierlichen kleinen Ding gefressen hatte, nahm sich seiner an. Wenn Anita fort war, durfte Jimmy in der Kunzeschen Wohnstube bleiben, denn in seinem Käfig war das an Freiheit gewöhnte Tierchen gar zu traurig. Natürlich blickte Frau Trudchen scheel auf den kleinen Vierhänder.
    Noch weniger freundlich aber schaute Frau Annemarie auf ihn. Vom ersten Augenblick an im Hamburger Landungshafen hatte sie es gewußt, daß Jimmy, der ungebetene Gast, einen Schatten auf die helle Freude werfen würde, die sie beim Anblick der jungen Enkelinnen empfand. Und wirklich - dieses erste Gefühl hatte nicht getrogen. Obwohl sich Jimmy musterhaft benahm, er war da - und das genügte, um ihm Frau Annemaries Abneigung zu erwerben. Was hatte ein Affe in ihrem Haus zu suchen? Ebensogut konnte man sich einen

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