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Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel

Titel: Nesthäkchen 09 - Nesthäkchens und ihre Enkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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Urwald. Da kann man nicht gehen spazieren, wie in deutsches Wald. Alte Bäume sind hoch, oh, so hoch, und Zweige so dicht, daß nicht Sonne kann kommen zu scheinen. Farne und Schlingpflanzen sind größer als Mensch, sind wie grünes Mauer, lassen keinen herein. Böse Tiere es gibt dort, Giftschlange und wildes Affe. Aber Vögel so schön, so bunt wie Blumen.«
    »Da gefällt es euch wohl gar nicht bei uns in Europa, wenn es dort so schön ist?« unterbrach der Lehrer sie scherzend.
    »Deutsche Land ich liebe mehr. Wenn es gibt auch nicht Kaffee- und Zuckerplantagen. Keine Kokospalmen, keine Bananen- und Orangenbäume. Ich mehr liebe Kastanie, Linde und Apfelbaum hier.« Anita sah erstaunt auf die sonst so ruhige Schwester. Ganz lebhaft war sie geworden.
    »Also unser Grunewald gefällt Ihnen besser als der brasilianische Urwald. Und wie steht's denn mit den Vierhändern? Kennt ihr die Affen auch nur aus dem Zoologischen Garten?« »O nein, Affen wir sehen oft in Sao Paulo, kommen auf Palme, wie hier Eichkatz.« »Ich habe mitgereist nach Europa mein klein Affe. Werde ich bringen morgen mit in Schule«, versprach Anita.
    »Was - einen lebendigen Affen?« Der alte Herr lachte. »Den würde ich an Ihrer Stelle doch lieber zu Hause lassen. Unsere Schule ist dafür nicht der richtige Ort.«
    »Das Brasilienmädchen will einen lebendigen Affen mit in die Schule bringen - hu, dann bleib' ich nicht in der Klasse.« Lachen und Tumult erhoben sich wieder.
    Mit einem kräftigen Schlag des Zeigestocks beendete der Lehrer den Krach. »Ruhe - so, nun haben wir genug von Brasilien gehört. Welche Städte kennt ihr an der Westküste von Südamerika?«
    Die Disziplin war wieder hergestellt. Aber die Aufmerksamkeit ließ noch viel zu wünschen übrig. Der Affe der Brasilienmädchen spukte noch in den jungen Köpfen. Noch merkwürdiger gestaltete sich die letzte, die Handarbeitsstunde, in der die Schülerinnen der zweiten Klasse feine weiße Strickdeckchen fabrizierten. Die Lehrerin, Fräulein Honigmann, hatte den beiden Neuen Nadel und Garn zur Verfügung gestellt. Sie legte ihnen die Maschen auf und gab ihnen die notwendige Anweisung. Aber Anita schüttelte den Kopf.
    »Wir sollen stricken wie alte Frauen? Niemals wir werden stricken.«
    »Der Handarbeitsunterricht gehört in den Schulstundenplan. Habt ihr denn in Amerika niemals Handarbeiten gemacht?«
    »Ich nicht liebe langweilige Handarbeit. Aber Marietta liebt. Sie hat gearbeitet Filetspitzen.«
    »Ei, dann bist du ja ein ganz geschicktes Mädchen, Marietta, und wirst sicher auch mit diesen Strickdeckchen fertig werden. Versuch es nur einmal.«
    Marietta nahm die Stricknadeln und versuchte den Anweisungen der Lehrerin zu folgen. »Wenn du dich nicht am Handarbeitsunterricht beteiligst, kannst du die Tafel abwaschen und das Papier, das dort im Gang liegt, in den Papierkorb sammeln, Anita Tavares«, wandte sich Fräulein Honigmann an die Müßigdasitzende.
    Anita rührte sich nicht.
    »Kannst du mich nicht verstehen?« fragte die Lehrerin, die annehmen mußte, daß mangelnde Sprachkenntnisse die Ausländerin veranlaßten, ihren Worten nicht Folge zu leisten.
    »Ich habe versteht gut.« Die Brasilianerin erhob sich nicht. Fräulein Honigmann war eine energische Dame. »Bitte, erkläre mir, was das heißen soll.«
    »Das soll heißen, daß ich nicht mache Dienerarbeit. Soll kommen Diener von Schule, tun es«, rief Anita empört.
    »Bei uns pflegen die Schülerinnen selbst für Ordnung in ihrer Klasse zu sorgen. Wenn du meine Anordnung nicht befolgst, kannst du die Klasse verlassen.«
    Anita saß starr. Was - man wies sie, eine Tavares, hinaus? Das wagte man hier in Deutschland? Sie sprang jäh empor und wandte sich zu Marietta.
    »Komm, wir werden gehen. Wir nicht mehr werden kommen hier in Schule. Nie mehr!« Damit lief das erregte Mädchen zornig aus der Klasse, in der sicheren Annahme, daß die Schwester ihr folgen würde.
    Aber Marietta blieb. So peinlich es auch für sie war. So gern sie auch hinterhergelaufen wäre. Es war schlimm genug, daß die Schwester sich so ungebührlich benahm. So saß die junge Brasilianerin denn und quälte sich mit dem Strickzeug herum. Ach, die liebe Großmama mußte helfen. Die mußte ihr das Stricken beibringen. Die würde mit ihr den Wallenstein lesen und all die Lücken ausfüllen helfen. Die würde auch Anita zur Vernunft bringen.

Bange Tage
     
    Ja, die Großmama half. Für alle Nöte wußte sie Rat und Abhilfe. Sie las mit den Enkelinnen

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