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Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar

Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar

Titel: Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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fünfzig junge Mädchen, die meisten zwischen sechzehn und zwanzig Jahren. Die Schülerinnen der sozialen Frauenschule gehörten schon zu den älteren und hatten daher Vorzugsplätze an dem Lehrerinnentisch. Der größere Teil der jungen Mädchen wohnte im Internat. Aber auch die Schülerinnen der verschiedenen Abteilungen der Frauenschule und der angegliederten Horte, deren Heimweg für die Mittagspause zu weit war, erhielten hier eine wohlschmeckende Mahlzeit. Marietta und Gerda nahmen grüßend an dem Tische Platz, dem die Leiterin des Internats vorstand. Verschiedene Schülerinnen von der sozialen Schule waren bereits anwesend. Die beiden Kusinen wurden mit freudigen Zurufen empfangen. Sie waren beide recht beliebt bei den Kolleginnen. Muntere Gespräche waren im Gange, junges Lachen erklang hier und da. Es ging ungezwungen bei dem gemeinsamen Mittagstisch zu. Junge Zöglinge mit zierlichen Servierschürzen boten die Schüsseln an, wechselten geräuschlos die Teller. Man hätte die Empfindung gehabt, zu einer Festlichkeit geladen zu sein, wenn nicht hin und wieder mal ein mahnendes »Lotte, nicht die Fleischplatte von rechts reichen, da kann sich kein Mensch bedienen«, oder auch »Aber Hilde, ein herabgefallener Löffel wird zur Seite gelegt, nicht auf die Schüssel zurück«, erklungen wäre. Mit dem letzten Bissen schwirrte alles wieder auseinander, ein jedes zu seiner Pflicht. Auch die Wege der beiden Kusinen trennten sich. Gerda Ebert arbeitete in einem unweit gelegenen Säuglingsheim. Marietta eilte nun endlich in das gegenüberliegende Gebäude zu ihren Hortkindern.
    Die hatten die Hoffnung auf Tante Jettas Kommen schon aufgegeben. Tante Martha, ein erst siebzehnjähriges Mädchen, das noch das Abc der Kinderfürsorge erlernte, hatte jedem etwas zu spielen gegeben und verlangte nun, daß sich die kleinen Jungen und Mädchen möglichst leise mit ihrem Baukasten, Püppchen oder Hottepferdchen beschäftigen sollten, um die schulpflichtigen Kinder, die am Nachmittag hier ihre Schularbeiten machten, nicht zu stören. Sie selber hatte eine Weihnachtsarbeit vorgenommen, eine bunte Wollhäkelei, bei der man zählen mußte. Jede Frage der ihr anvertrauten Küken kam ihr störend in die Quere und wurde dementsprechend nicht gerade freundlich beantwortet. Die Kinder, des sich Alleinbeschäftigens überdrüssig, suchten daher ihr Vergnügen auf eigene Faust. Paulchen nahm dem Kätchen die Puppe fort und sprang damit johlend im Zimmer umher. Gustel warf dafür Paulchens schön gebauten Turm mit lautem Krach um, so daß sich jetzt eine lebhafte Prügelei zwischen dem kleinen Puppenräuber und dem Turmzerstörer ergab. Lenchen, mit dem gelben Zigarrenzopfband, wollte den Frieden vermitteln, geriet aber dabei mit in den Tumult hinein. Und die übrigen beteiligten sich aus Freude am Lärmen, und weil sie sonst auch nicht gerade Besseres zu tun hatten, ebenfalls an dem Radau. Tante Martha, die ihre Zählerei nun doch aufgeben mußte, rief vergebens dazwischen: »Kinder, wollt ihr wohl gleich ruhig sein!« Die Großen wurden natürlich auch nicht länger von ihren Schularbeiten gefesselt, sondern nahmen ebenfalls Partei und rauften lustig mit. Ein ohrenzerreißender Lärm empfing die gerade in diesem Augenblick eintretende Marietta.
    Die stand zuerst starr. Dann aber griff sie auf gut Glück eins aus der wilden Horde heraus - es war Paulchen mit dem Schmutznäschen - und wischte ihm mit ihrem eigenen Taschentuch Tränen und Näschen ab. »Ja, Kinder, was habt ihr denn heute? Ihr seid doch sonst so lieb.«, sagte sie mit ihrer weichen, fremdklingenden Stimme. Diese ging in den Wogen der allgemeinen Zügellosigkeit ebenso unter wie Tante Marthas verzweifelte Drohungen. Aber plötzlich ein Jubellaut, mitten aus dem wüsten Getobe - wie ein verirrter Vogelton bei Gewitter - »Tante Jetta - Tante Jetta ist da!« Man hatte sie entdeckt. Im Augenblick war das Bild ein anderes. Die kleinen Raufbolde ließen voneinander ab und umstrickten die endlich Erschienene zärtlich mit ihren Ärmchen. Marietta strich beruhigend über die erhitzten Kindergesichter. »So, nun setzt euch mal erst brav auf eure Plätze und dann erzählt mir, warum ihr eben so unartig wart.«
    »Die olle Käte brüllt immer jleich« - »Nee, der Paul hat ...« - »Und der Gustel hat mir meinen schönen Turm janz ...« - »Und Karle hat mir so doll jeschubst ...« so ging das wieder durcheinander.
    »Aber Friedel, so heißt es doch nicht, wie heißt es?« Marietta

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