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Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar

Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar

Titel: Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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interessant!« Der Geheimrat wiegte erfreut den Kopf. »Wirklich, sehr interessant - das muß Frankfurt sein.«
    »Ja, was geht mich denn Frankfurt an! Die Zerlinchen-Arie aus dem Don Juan wollte ich hören ...«
    »Dann hätt'st du mich nit stören sollen. Ich hab' ruhig meine Medizinische gelesen und an nix Böses gedacht.«
    »Ob du einen wohl mal etwas zu Ende hören läßt? Man verliert wirklich die Lust«, begehrte Frau Annemarie ärgerlich auf.
    Helles Lachen von der Tür her unterbrach diese eheliche Auseinandersetzung der beiden alten Herrschaften. Da stand Marietta und schaute belustigt auf die Großeltern. Sie hatten ihren Eintritt bei der lebhaften Debatte überhört.
    »Schon wieder das Radio? Wohin hat der Großpapa dich denn eben wieder transportiert, Großmuttchen?« erkundigte sich die Enkelin, noch immer lachend. Die Radioszenen der sonst so friedliebenden Großeltern machten ihr ungeheuren Spaß.
    »Nach Frankfurt, mitten aus dem Don Juan heraus.« Auch die Großmama lachte schon wieder. Wenn Marietta heimkam, dann ließ sie Radio Radio sein. Großpapa aber brummte und bastelte noch immer herum. »Hast du dich auch nicht erkältet, Seelchen? Ein Hundewetter draußen. Sieh erst nach, ob du auch keine nassen Füße hast. Und dann trinke gleich erst eine Tasse heißen Tee, der beugt dem Schnupfen vor. Spät ist's heut wieder geworden. Hast du heut mittag auch was Vernünftiges zu essen bekommen, ja? Frau Trudchen hat dir ein Kalbsteak aufgehoben. Sie meint, was die jungen Dinger da in der Frauenschule zusammenkochen, ist ja doch nur Fraß.«
    »Es schmeckt uns stets recht gut. Aber Hunger habe ich schon. Ah, da ist ja schon Frau Trudchen. Und unser Lottchen auch noch auf? Wie ihr mich alle verwöhnt!« In dankbarem Behagen ließ sich Marietta das liebevolle Umsorgen gefallen. »Liebling, tu mir den Gefallen und sieh erst nach, ob die Strümpfe auch nicht naß sind«, erinnerte die Großmama.
    »Ich habe bereits das Schuhzeug gewechselt. Ach, ist das gemütlich hier bei euch!« Marietta ließ den Blick durch das altmodische aber behagliche Zimmer wandern. »Gelt, Mariele? Darum läufst auch den ganzen Tag davon«, neckte der Großpapa und schaltete den Rundfunk ab. »Was meinst, Fraule, ob das Radio wohl ein Scheidungsgrund ist?«
    »Freilich, du Brummbär!« Und dann gaben sie sich lachend einen Kuß, die beiden Alten, und waren wieder ein Herz und eine Seele.
    »Na, wie schaut's im Kinderhort aus, Jetta? Hat Mausi auch kein anderes deiner Küken angesteckt?« Großmama hatte für alles, was Jettas Arbeit betraf, volles Interesse. »Und Otto der Faule, wie geht's dem? Hat er seinen deutschen Sprachschatz schon um ein weiteres Wort vermehrt?« erkundigte sich der Großvater neckend.
    »Ottchen hat leider dran glauben müssen. Das einzige von all den Kindern, das sich angesteckt hat. Ich habe ihn soeben besucht, den armen, kleinen Kerl. Darum ist es später geworden. Es sind traurige Verhältnisse. Eine ungesunde Kellerwohnung - jammervoll! Der arme Mann ist Invalide, zieht mit dem Leierkasten auf den Höfen herum. Und die Frau, daß Gott erbarm. Sieben Kinder haben sie - es ist ein Elend.« Marietta legte Messer und Gabel hin und sah sich in dem mit behaglichem Komfort ausgestatteten Raum vergleichend um. Der Gegensatz war zu kraß.
    »Die Armut kannst nimmer aus der Welt schaffen, Kind. Aber wenn du halt alles so tragisch nimmst, reibst du dich in deinem Beruf auf. Jetzt ißt du erst einmal dein Essen auf«, verlangte der Großpapa.
    Marietta gehorchte. Aber ihre Gedanken waren woanders. »Ganz aus der Welt schaffen kann man die Armut freilich nicht«, knüpfte sie an des Großvaters Worte wieder an. »Aber lindern kann man sie schon. Wenn man nur immer wüßte, welches der richtige Weg dazu ist. Solch eine Anfängerin im sozialen Dienst, wie ich, macht noch soviel falsch. Man läßt sich von seinem Herzen zu schnell hinreißen und wird nachher enttäuscht. Da hab' ich der Mutter von der kleinen Mausi neulich Geld gegeben, weil sie ihre Arbeit niederlegen mußte, um das Kind pflegen zu können. Was tut sie? Kauft von dem Geld für das Kind ein Sonntagskleid und eine große Puppe zu Weihnachten.«
    »Hast du noch mehr solche Enttäuschungen bei deiner Arbeit, Seelchen?« Das Großmutterherz war an diesem Wort hängengeblieben.
    »Nein, nein, sonst machen sie mir viel Freude, meine Kinder. Heute haben wir Weihnachtslieder zusammen gesungen. Ihr glaubt nicht, was das für ein entzückendes Bild war, all

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