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Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar

Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar

Titel: Nesthäkchen 10 - Nesthäkchen im weissen Haar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Ury
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solch gute Luft bei uns draußen in Lichterfelde. Dort drüben - Großmuttchen, du wolltest doch gern wissen, wo mein künftiges Arbeitsfeld sein wird - dort in der Erholungsstätte des Roten Kreuzes bin ich dreimal in der Woche. Das ganze weite Waldterrain innerhalb des Drahtgitters ist für erholungsbedürftige Schulkinder zur Verfügung gestellt worden. Da sollen sie sich den Tag über aufhalten und beschäftigt werden. Ein Lehrer ist da, mehrere junge Helferinnen vom Jugendwohlfahrtsamt sind abwechselnd mit der Zubereitung der Mahlzeiten beschäftigt. Ich freue mich auf meine neue Tätigkeit, die so vielen blassen Großstadtkindern Sonne und Jugendfreude in der Natur zuführt.«
    »Dir selbst kann der Aufenthalt im Freien nun grade auch nit schaden, Mariele«, wandte sich der Großvater, seine fünf Schritte voraus, zurück. »Gut wär's, wenn du jeden Tag hier draußen deine Arbeit hättest. Wenn du weiter so blaß dreinschaust, als hätt'st du nimmer dein Brot, dann mußt' halt mal auf ein paar Monate deine Tätigkeit einstellen und aufs Land.« Es klang kurz und bündig, wie der alte Arzt zu sprechen gewohnt war. »Großpapa, wo denkst du hin. Das gibt's einfach nicht. Und meine andere Tätigkeit in der neuen Kinderlesehalle im Norden wird mir mindestens so interessant sein.« »Hm - ich bin mehr dafür, daß das Kind sich im Freien austobt, als daß es in euren Kinderlesestuben schmökert. Wir sind auch ohne solche Lesestuben groß geworden und haben sie nimmer entbehrt.«
    »Weil du in deinem Elternhaus die geistige Anregung gehabt hast, die ein Kind braucht, Rudi«, schlug sich auch Frau Annemarie auf die Seite der Enkelin. Am Nachmittag beim wohlgeratenen Osterkuchen wurde dieses Thema noch weiter ausgesponnen. Onkel Hans lehnte, als seines Vaters Sohn, die Notwendigkeit dieser sozialen Jugendeinrichtung ab. Er behauptete, die Kinder würden nur dadurch von ihren Schularbeiten zurückgehalten. Der Studienrat, sein Schwager Georg, bestritt das und trat sehr dafür ein. Man habe in Lehrerkreisen die beste Erfahrung mit diesen Kinderlesestuben gemacht. »Ein gutes Jugendbuch ist der beste Erzieher, besser als tausend moralpredigende Worte des Lehrers oder der Eltern.«
    »Was verstehst du unter einem guten Jugendbuch, Onkel Georg?« erkundigte sich Marietta lebhaft. »Wir sind für die Auswahl der Lektüre der Kinder verantwortlich. Es wäre mir sehr wertvoll, von einem Erzieher, einem Fachmann wie du, einen Wink in dieser Hinsicht zu bekommen. Hältst du wissenschaftlich gehaltene Bücher für besonders geeignet?« »Die werden die Kinder kaum lesen«, warf Tante Vronli trocken dazwischen. »Meine Frau hat recht, Marietta. Das Kind muß vor allen Dingen Freude beim Lesen empfinden, sonst wird es die ganze Sache bald als langweilig an den Nagel hängen. Meiner langjährigen Erfahrung nach soll ein gutes Kinderbuch vor allem Charakter und Gemüt des Kindes bilden. Unbewußt, ohne daß das Kind darauf hingewiesen wird. In dieser Hinsicht ist es der wichtigste Erziehungsfaktor.«
    »Du hast recht, Onkel Georg.« Marietta hatte heiße Backen bekommen. »Von diesem Standpunkt aus will ich mein neues Amt verwalten.«
    »Die junge Gesellschaft wird unruhig«, unterbrach sie Frau Annemarie. »Die ist nicht zur Großmama gekommen, um langweilige Reden mit anzuhören, sondern um Ostereier zu suchen. Evchen, Kind, iß keinen Kuchen mehr, du verdirbst dir den Magen, und die Ostereier wollen auch noch Platz haben. Also, Jetta, als Jugendorganisatorin überlasse ich dir das Ehrenamt, die Ostereier zu verstecken. Gerda kann dir helfen ...« »Ach, Großmuttchen, ich glaube, es macht den Kindern mehr Spaß, wenn sie selbst mit im Garten verstecken dürfen. Erst sucht jedes Kind allein, und die anderen helfen die Eier verstecken. Zum Schluß wird dann noch ein allgemeines Suchen veranstaltet.« »Au ja - au fein! Wir wollen alle mit verstecken helfen!« Es zeigte sich, daß Marietta mit dieser Methode aus dem Kinderhort, das Kind an jeder Arbeit teilnehmen zu lassen, das Rechte getroffen hatte.
    Das war ein heiteres Bild, wie die Jugend gleich bunten Schmetterlingen im Garten umhergaukelte, die besten Verstecke auszukundschaften. Großmama besorgt hinterdrein: »Kinder, daß ihr mir nicht an meine Hyazinthen geht! Heinzelmann, zertrampele nicht meine Krokusse - wißt ihr was, wir wollen das große Blumenrondell vom Verstecken ausnehmen.« Dieser Vorschlag wurde angenommen, und damit war allen Teilen geholfen. Was hatte

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