Nestor Burma in der Klemme
dann nenn ich’s nicht weiß. Ich kann eben nicht anders...“
„Sie sind ‘n komischer Flic!“
„Tja, und einer mit Gewissensbissen dazu! Ein
sehr seltenes Exemplar! Ich muß Ihnen nämlich gestehen, daß mir mein Verhalten
Ihnen gegenüber in der Rue Desnouettes leid tat. Vor allem als ich gesehen
habe, wie die anderen in Ihrer Abwesenheit über Sie hergefallen sind. Das hat
mich direkt angekotzt! Und da hab ich mir gesagt: Ich werde Nestor Burma
warnen, werd ihm raten, mit dem albernen Getue aufzuhören. Schadet ihm nur...
Ich ruf Sie also an... vergeblich... Weiter unternehm ich nichts. Und um halb
vier nachts klingelt mich dieser Brigadier aus dem Schlaf und erzählt mir, er
habe da ein verdächtiges Individuum ohne Papiere. Der Kerl behaupte, Nestor
Burma zu heißen... Ich hab ihm natürlich gesagt, er solle sie schön festhalten.
Sie sollten mir nicht noch einmal davonlaufen! Jetzt müssen Sie sich wohl oder
übel meine Stimme anhören, die Stimme der Vernunft. Nach dem Anruf heute nacht
hab ich mich noch mal genüßlich auf die andere Seite gedreht. Mir gefiel der
Gedanke, Sie einige Stunden in einer feuchten Zelle zu wissen. Das wird Ihnen
hoffentlich eine Lehre sein! Einfach Katz und Maus mit mir zu spielen...“
Wir kamen an eine Straßenecke, wo uns der Wind
ins Gesicht blies. Faroux schlug seinen Mantelkragen hoch.
„Vor den Gendarmen wollte ich Ihnen das alles
nicht unbedingt sagen“, fuhr er fort. „Aber eine Straße eignet sich auch nicht
grade für ein ernsthaftes Gespräch... bei dem Wetter. Kennen Sie nicht zufällig
ein gemütliches Bistro hier in der Nähe?“
„Ich hab ein Zimmer im Bistro-Hotel am Bahnhof
gemietet“, antwortete ich. „Da können wir uns verkriechen. Bis zwölf Uhr ist es
noch bezahlt.“
In dem Hotel wartete eine Überraschung auf mich:
meine Brieftasche! Entgegen meiner Annahme hatte sie mir die charmante Lydia
nicht geklaut. Zum Ausfüllen des Meldezettels hatte ich meinen Personalausweis
gebraucht. Dabei war die Brieftasche wohl auf den Boden gefallen, anstatt
wieder in meine Tasche zu wandern. Das Sägemehl auf dem Boden hatte das
Fallgeräusch zum Teil gedämpft, und der Rest war im Lärm der Gäste
untergegangen. Der 16%ige Aperitif hatte bei ihnen denselben Effekt wie
45%iger...
Ich bedankte mich beim Kellner, belohnte seine
Ehrlichkeit und erfand eine „Däumling“-Geschichte, um meine späte Heimkehr ins
Hotel zu rechtfertigen. Dann zeigte ich auf Faroux’ Schnurrbart und erklärte:
„Monsieur und ich brauchen das Zimmer jetzt für
eine geschäftliche Besprechung. Wenn Sie noch eine Flasche Weißwein hätten,
würden wir die gerne mitnehmen.“
Oben im Zimmer ging ich sofort zum Angriff über:
„Jetzt wollen wir mal ernsthaft miteinander
reden. Was meinten Sie eben mit den Gewissensbissen, der Warnung an meine
Adresse und den Feindseligkeiten der Tour Pointue ?“
Inspektor Faroux setzte sich auf den abgewetzten
Sessel.
„Das alles hat mit diesem Kerl von gestern zu tun“,
sagte er. „Briancourt?“
„Ja... äh... Briancourt, wie er angeblich
heißt.“
„Ach! Angeblich?“
„Briancourt heißt nicht Briancourt. Es handelt
sich um Henri Barton, einen Komplizen von Alfred Thévenon. Dessen Bande hat am
15. Januar 1938 im Bahnhof von Le Havre den berühmten Goldzug überfallen und
ausgeraubt. Und am Quai des Orfèvres sind alle davon
überzeugt, daß der Tote in letzter Zeit mit Ihnen in Verbindung stand.“
Ich pfiff durch die Zähne.
„Ach, daher weht also der Wind? Wie kommen die
denn auf so was?“
„Briancourt alias Barton hatte eine Visitenkarte
Ihrer Agentur in der Brieftasche. NESTOR BURMA, Nachforschungen,
Beschattungen, Ermittlungen aller Art. Die kann er nur von Ihnen persönlich
haben, denn ich glaube nicht, daß Sie Ihre Visitenkarten auf der Straße
verteilen lassen. Aber im Grunde ist es egal, wie die Karte in seine
Brieftasche gekommen ist. Tatsache ist, daß er sie besaß. Tatsache ist auch,
daß Sie in dem Haus aufgetaucht sind! Sie müssen zugeben, das ist nicht ganz
koscher. Da kann man schon gewisse Vermutungen anstellen „Ich wollte in die
Buchhandlung.“
„Auch wenn Sie das behaupten, glauben tun die
Ihnen das nicht.“
„Wer ist ,die’?“
„Kommissar Martinot und...“
„...und seine Leute, zu denen auch Sie gehören!“
„Ich teile die Ansichten meiner Kollegen nicht“,
verteidigte sich der Inspektor. „Aber ich stehe allein da. Die haben eine
Gelegenheit, Sie zu packen, Burma. Und sie
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