Nestor Burma in der Klemme
nach Wahl,
hatte mir meine Brieftasche abgenommen, das Geld und den Revolver jedoch
verschmäht. Seltsames Verhalten!
„Wäre es nicht einfacher, sich in Paris zu
erkundigen?“ schlug ich vor. „Ich bin Privatdetektiv und habe die Erlaubnis,
eine Waffe zu tragen. Mein Name ist Nestor Burma.“
Die vier Silben hatten nicht den erhofften
Erfolg. Sie glitten an den Gendarmen ab, ohne ihnen den leisesten Schrei der
Bewunderung zu entlocken. Enttäuscht gab ich mich trüben Gedanken hin.
Ein dritter Gendarm hatte bis jetzt noch nichts
gesagt. War damit beschäftigt, die Zeitung zu lesen, die direkt aus meiner
Tasche kam. Plötzlich rief er:
„He, Brigadier! Sehen Sie sich das an! Verstehen
Sie das?“
Der fette Brigadier beugte sich über die
aufgeschlagene Seite mit dem Kreuzworträtsel.
„ Inspektor Faroux “, las er, „ist ein sturer Bock.“
„Verstehen Sie das?“ wiederholte der andere.
„Da gibt es nicht viel zu verstehen! Dieses
Individuum vertreibt sich die Zeit damit, die Polizeibehörde zu verunglimpfen.
In Taten, Wort und Schrift. Ein Anarchist ist das! Das sieht man schon an dem
verträumten, spöttischen Gesichtsausdruck. Faroux ist ein Kollege von der Kripo
in Paris und..
Er schien ins Grübeln zu kommen, zwirbelte
seinen üppigen Schnurrbart und kratzte sich die — für einen Gendarmen —
ziemlich langen Haare. Endlich ließ er von seinem Bart- und Kopfhaar ab. Seine
Augen leuchteten triumphierend.
„Tod und Teufel!“ murmelte er halb zu sich, halb
zu seinen Kollegen. „Ist das nicht der Kerl, der in einen Fall verwickelt ist,
den eben dieser Inspektor Faroux bearbeitet? Verdammt, wozu ist das Telefon
eigentlich da! Ich kenne Faroux, hab sogar seine Privatnummer. Vielleicht tun
wir dem Inspektor einen verdammten Gefallen... Werd ihm Bescheid geben, daß wir
hier einen gewissen... äh... Wie hieß der Kerl noch? ... Ach ja, Nestor Burma!
Komischer Name... Würde glatt zu einem von uns passen... Irgend etwas stimmt
mit dem nicht.“
Er ging ins Nebenzimmer. Zehn Minuten später kam
er händereibend zurück.
„Leute, ich glaube, wir haben unsere Zeit nicht
umsonst verplempert“, dröhnte er. „Inspektor Faroux hat mich gebeten, den Mann
hinter Schloß und Riegel zu halten. Morgen früh kommt er und verhört ihn.“
Ich wurde in eine Zelle gebracht. Der Raum war
kaum schmutziger als der, in dem man mich vorher abgelegt hatte. Nur etwas kälter
und ohne Licht. Bevor die Tür ins Doppelschloß fiel, hörte ich es vier Uhr
schlagen und den Brigadier zufrieden verkünden, er habe den richtigen Riecher
gehabt.
* * *
Florimond Faroux kam gegen zehn. Er machte das
schönste Beerdigungsgesicht, das ich jemals gesehen hatte. Den Gendarmen
versicherte er, daß er sich um mich kümmern werde — „Nur keine Sorge!“ — , und
dann verließen wir das düstere Gebäude.
„Hab Ihnen ‘ne Menge zu sagen“, begann mein
Freund nach ein paar Schritten. „Deswegen hab ich Sie ein wenig zappeln lassen,
bevor ich Sie da rausgeholt habe. Ich mag es nämlich gar nicht, wenn man vor
mir abhaut wie Sie gestern nachmittag zum Beispiel... Übrigens hätte sich einer
wie Sie doch denken können, daß ich nicht erst jemanden anrufe, um ihn dann mit
einem Besuch zu überraschen!“
„Genau das hab ich mir zwar gedacht“, sagte ich,
obwohl es nicht stimmte. „Aber einer Ihrer Leute hat meine Agentur überwacht.
Vor dem bin ich tatsächlich abgehauen, das stimmt.“
„Das war keiner von meinen Jungs“, protestierte
Faroux. „Der war von den andern. Ich weiß nicht, was Sie den Kollegen getan
haben, aber die trauen Ihnen nicht über den Weg... Wenn sie Ihnen was anhängen
können, werden sie’s tun.“
„Haben Sie mich deswegen gestern im Büro
angerufen und heute die lange Reise gemacht? Nur, um mir das zu sagen?“
„Unter anderem, ja. Aber ich wollte Ihnen auch
eine Frage stellen.“
„Noch eine!“ rief ich. „Dann fragen Sie mich
schon, wie ich nachts um drei Uhr einer Patrouille in die Hände fallen konnte,
schlafend, fünfundvierzig Kilometer von Paris entfernt! Oder sollten Sie das
noch nicht wissen?“
„Da haben wir’s wieder!“ knurrte Faroux. „Sie
sind so ernsthaft wie’n Gör und so offen wie ein Kandidat fürs
Abgeordnetenhaus. Kein Wunder, daß meine Kollegen Sie nicht leiden können! Sie
mit Ihren doppeldeutigen Sätzen, Ihrem ,Ja’, das ,Nein’ heißt, und dem ganzen
Kram. Also, ich bin da anders. Solche Scherze liegen mir nicht. Wenn etwas
schwarz ist,
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