Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nestor Burma in der Klemme

Nestor Burma in der Klemme

Titel: Nestor Burma in der Klemme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
nicht so
ein Hitz-kopf. Ja, wirklich, Sie gefallen mir! Bedauerlich, daß solch ein
Kompliment von mir kommt, einem Vertreter des eher häßlichen Geschlechts, anstatt
von einer schönen Frau. Aber ich zweifle nicht daran, daß Mademoiselle...“
    „Ihnen fehlt es an Takt“, unterbrach ich ihn.
    „Ganz genau!“ stimmte er mir zu. „Und wie!
Diesem Mangel an Takt verdanke ich meinen Erfolg. Auch wenn Sie mich für einen
ungehobelten Lümmel halten, wiederhole ich meinen Wunsch: Ich möchte mich mit
Ihnen alleine unterhalten! Übrigens steht es Ihnen frei, Ihrer Sekretärin alles
zu erzählen, wenn ich gegangen bin. Das ist mir egal. Aber ich liebe es nicht,
vor Dritten über Geschäftliches zu reden. Es stört mich einfach. Vielleicht ist
es pathologisch...“
    „Schüchtern sind Sie also! Warum haben Sie das
nicht gleich gesagt? Wissen Sie, Monsieur Chabrot, Zynismus ist mir nicht
unsympathisch. Sie fangen an, mich zu interessieren.“
    „Ich werde Sie gleich noch viel mehr
interessieren. Schließlich bin ich kein gewöhnlicher Klient.“
    „Das merkt man sofort... Bitte, Hélène, seien
Sie so nett und gehen Sie in Ihr Büro.“
    Meine Sekretärin war so nett.
    „Und jetzt, Monsieur Chabrot, dürfte ich Sie bitten,
möglichst schnell zur Sache zu kommen. Ich höre.“
    Er faßte in die Innentasche seines Mantels und
holte eine mächtige Zigarre hervor. Sein goldenes Feuerzeug zündete zwar nicht
besser als jedes andere, machte aber Eindruck. Sein stolzer Besitzer beugte
sich zu mir vor.
    „Was zahlen Sie für erstklassige Informationen?“
fragte er.
    „Informationen worüber?“ fragte ich zurück.
    „Über Sie.“
    „Keinen Sou! Ich glaube, ich kenne mich selbst
am besten. Außerdem bin ich pleite.“
    „Das ist heutzutage jeder. Zumindest behauptet
das jeder. Andererseits werden überall Geschäfte gemacht. Ich bin gekommen,
Ihnen eins vorzuschlagen.“
    „Was für eins?“
    Monsieur Chabrot beugte sich noch weiter vor.
Sein fettes Puppengesicht lag fast auf dem Schreibtisch. Das zigarrendduftende
Rauchwölkchen tanzte vor seinem Monokel.
    „Durch meinen Beruf habe ich mit allen möglichen
Leuten zu tun“, sagte’ er. „Leuten aus den verschiedensten Kreisen...
Zufällig... Gesundheit!“
    Ich mußte niesen. Der Regen von gestern abend
trug Früchte. Mein geheimnisvoller Besucher wich ein wenig zurück und fuhr dann
fort:
    „Zufällig habe ich in den letzten Tagen etwas
über Sie erfahren. Sie haben viele Feinde, Monsieur Burma. Irgend etwas ist
gegen Sie im Gange...“
    Ich schwieg. Chabrot richtete sich auf und
klemmte sein Monokel fest ins Auge.
    „Kennen Sie das Petite Roquette ?“ fragte
er dann plötzlich.
    „Das Frauengefängnis? Ja.“
    „Im Moment ist es das Frauengefängnis. Aber
früher, zum Beispiel 1926?“
    „Damals war’s das Gefängnis für... Nein“,
berichtigte ich lächelnd. „Es war das ,Haus für straffällig gewordene
Jugendliche’.“
    „Eine vornehme Umschreibung! In Zelle 11,
Abteilung 10...“
    „Dritte Etage...
    „Oh, ich sehe, wir verstehen uns. Sie kennen
also den Ort?“
    „Sehr gut.“
    „Und kennen Sie vielleicht auch den Häftling —
oh pardon, den straffällig gewordenen Jugendlichen — , der vom 15. Februar bis
zum 14. Juli 1926 in Zelle 11, Abteilung 10, dritte Etage, gesessen hat?“
    „So gut wie mich selbst. War das alles, was Sie
mir mitteilen wollten?“
    Er schüttelte seinen dicken Kopf. Das Monokel
blitzte auf. Von der Zigarre löste sich Asche und fiel auf seinen Mantel. Er
schnippte sie mit seinen Wurstfingern auf den Boden.
    „Ich wollte Ihnen gar nichts mitteilen“, sagte
er. „Wenn wir zwei über diesen... äh... Zwischenfall Bescheid wissen, was
soil’s? Aber vielleicht sollten wir verhindern, daß andere davon erfahren.
Genau diese Waffe wollen Ihre Feinde nämlich gegen Sie einsetzen.“
    „Ein paar Monate Jugendarrest kratzen noch nicht
an der Ehre“, sagte ich. „Vor allem nicht in dem Alter! So was nennt man ,sich
die Hörner abstoßen’.“
    „Sicherlich... aber... Immerhin läßt es die
betroffene Person in einem ungünstigen Licht erscheinen. Was würde man über den
Direktor einer privaten Detektei sagen, der seine Berufung im Knast verspürt
hat?“
    „Das wäre nur zusätzliche Werbung für ihn.“
    „Das könnte aber auch die entsprechenden
Behörden veranlassen, seine geschäftlichen Aktivitäten etwas genauer unter die
Lupe zu nehmen. Vielleicht sogar, die Agentur zu schließen, was weiß ich?

Weitere Kostenlose Bücher