Nestor Burma in der Klemme
ein Riesentheater, Leute zu
finden, sagte sie. Nach zwei, drei weiteren Allgemeinplätzen kamen wir auf die
Haus- und Bürodurchsuchung zu sprechen. Martinot und seine Leute hatten
offensichtlich nicht das gefunden, was sie suchten. Waren mit leeren Händen
wieder abgezogen. Aus Rache hatten sie mir einen Flic auf den Bürgersteig
gestellt, der die Agentur überwachen sollte. Entweder hatte der Mann bald die
Schnauze voll gehabt, oder aber sein Chef hatte die Taktik geändert. Jedenfalls
war der Flic um drei Uhr abgehauen. Bestimmt hatten sie die Hoffnung
aufgegeben, mich in einem meiner Nester zu schnappen.
Wir gingen in mein Büro. Das übliche Chaos war
durch die Wühlarbeit der Gesetzeshüter noch verschlimmert worden. Ich nahm eine
der vielen Pfeifen vom Schreibtisch, stopfte sie, zündete sie an und begann,
meiner Sekretärin das Abenteuer von Bois-le-Roi zu erzählen. In diesem
Augenblick wurde mehrmals hintereinander an der Tür geklingelt. Der Besucher
hatte einen ungeduldigen Daumen.
„Wer kann das sein?“ fragte ich stirnrunzelnd.
„Noch ein Klient? Wenn das so weitergeht, wissen wir bald nicht mehr, wohin mit
dem Geld!“
„Vielleicht ist das der von heute morgen“,
mutmaßte Hélène. „Chambrot oder Chabot...“
„Sehen Sie mal nach. Und wenn er’s ist, sagen
Sie, ich sei nicht da.“
Hélène ging hinaus und schloß leise die Tür
hinter sich. Kurz darauf kam sie zurück, zwei Visitenkarten in der Hand. Eine
größer als die andere.
,Ja, das ist der von heute morgen. Emmanuel
Chabrot. Er läßt nicht locker. Hat mich gebeten, Ihnen die Kärtchen zu
überreichen.“
Auf der kleineren Visitenkarte standen Name und
Berufsbezeichnung des Besuchers: Emmanuel Chabrot, Direktor von I.D.U.S.
Was auf der größeren stand, war ziemlich seltsam. In eleganter Schrift wurde
gedroht: Lassen Sie sich niemals verleugnen! Wir von I.D. U.S. finden
Sie. I.D.U.S., Lautsprecher aller Gerüchte. Ich drehte die Kärtchen
zwischen den Fingern. Hélène wartete auf meine Entscheidung. Ich glaube, jetzt
war ich es, der ein komisches Gesicht machte.
„Lassen Sie den Formulierungskünstler rein“,
sagte ich schließlich. „Bin schon mit Schlimmeren fertig geworden.“
Monsieur Chabrot erinnerte stark an Louis XIV.
Vermutlich war er wütend, daß man ihn hatte warten lassen, ließ sich aber
nichts anmerken. Er war korpulent, so um die Fünfzig (Der zweite heute!). Seine
Hände steckten in beige-gelben Handschuhen. Nachdem ich ihn zum Sitzen
aufgefordert hatte, legte er seinen Hut — eine Mischung aus Homburger und
Schlapphut — auf den Rand meines Schreibtisches und kam meiner Aufforderung
nach. Eine leichte Stirnglatze verlieh seinem Gesicht so was wie Ehrwürdigkeit.
Sein Blick war hart. Der dunkle Halbkreis unter dem linken Auge ließ vermuten,
daß er manchmal ein Monokel benutzte.
„Was kann ich für Sie tun, Monsieur Chabrot?“
begann ich betont professionell.
Die Nacht brach herein. Hélène schaltete das
Deckenlicht ein. „Ich bin der Direktor von I.D.U.S.“, sagte der Besucher mit
wichtiger Miene.
„Und was bedeutet das?“ fragte ich ruhig.
„Was bedeutet was?“ fragte er zurück,
enttäuscht, daß mich die vier Buchstaben nicht vor Ehrfurcht erstarren ließen.
„Was bedeutet I.D.U.S.?“
Ein gereiztes Lächeln umspielte seine Lippen.
„Aber Monsieur Burma, Sie wollen doch wohl nicht
behaupten, daß der Ruf von In-Diskret Und Schnell, dem größten
Enthüllungsmagazin im Kleinformat, noch nicht an Ihr Ohr gedrungen ist?“
„Ach! Dann geht es also um dieses... äh...
Magazin, wie Sie es nennen?“
„Nicht direkt.“
„Worum geht es dann direkt?“
„Um Sie.“
„Um mich?“
„Ja, um Sie. Sie sind doch der Privatdetektiv
Nestor Burma, nicht wahr?“
„Allerdings. Und?“
Emmanuel Chabrot zog ein Monokel aus seiner
Westentasche, wischte es mit einem Seidentuch ab und klemmte es sich ins linke
Auge. Geübt ließ er es im Lampenlicht blitzen. Besonders lange blitzte er zu
Hélène hinüber, die sich an den kleinen Tisch gesetzt hatte.
„Ich würde gerne mit Ihnen alleine reden“, sagte
er und sah mich an.
„Mademoiselle ist meine Sekretärin. Ich habe
keine Geheimnisse vor ihr.“
„Mag schon sein“, sagte er lächelnd. „Aber
vielleicht habe ich welche...“
„In diesem Fall...“ — Ich machte Anstalten
aufzustehen — „...ist es überflüssig, das Gespräch fortzusetzen.“
Begütigend hob er seine fette Hand.
„Na, na, Monsieur Burma! Seien Sie doch
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