Nestor Burma in der Klemme
Er hat gestanden. Da sind Sie platt, was?
Nicht nur ein Nestor Burma bringt die Schuldigen zur Strecke.“
„Aber er lebt doch hoffentlich noch?“
„Ja, natürlich. Wir haben ihn kaum angerührt.“
„Tatsächlich? Der Kleine hat Ihnen alles
freiwillig erzählt?“
„Nein, das nicht. Zuerst tat er so, als würde er
unsere Fragen überhaupt nicht verstehen. Aber dann mußte er vor unseren
schlagenden Argumenten kapitulieren.“
„Schlagende Argumente, jaja“, lachte ich. „Eine
hübsche Bezeichnung... und so treffend!“
„Unterschieben Sie dem Wort keine Bedeutung, die
es nicht hat.“ Mein Freund war hörbar stolz auf seinen Erfolg. „Die schlagenden
Argumente waren in diesem Fall die Geldscheine, die wir bei Barton gefunden
haben. Wir haben das Duftbündel hervorgezaubert mit der Bemerkung, daß nach ein
paar Minuten Aufenthalt in seiner Tasche jeder Schein das verräterische Parfüm
verbreiten würde. Mac Guffine blieb nichts anderes übrig, als sich schuldig zu
bekennen.“
„Hat er Details rausgerückt?“
„Er ist grade dabei.“
„Ich möchte Sie um etwas bitten, Faroux. Ich
weiß, es ist ziemlich heikel, vor allem im Moment, aber hätten Sie vielleicht
die Freundlichkeit, eine Unterredung mit dem Zwerg für mich zu arrangieren,
ohne daß Martinot davon erfährt?“
„Ihre Sätze werden immer länger. Warum?“
„Manchmal kann ich eben nicht im Telegrammstil
reden.“
„Ich hab gefragt, warum Sie mit dem Zwerg
sprechen wollen.“
„Möchte ihm ‘n paar Tips geben, wie man schnell
wachsen kann.“
„So’ne informative Erklärung habe ich erwartet“,
sagte der Inspektor aufgeräumt. Er wurde heute einfach nicht böse! „Jetzt, da
ich nicht mehr unter Verdacht stehe...“ plädierte ich. „Nein, nein! Unter
Verdacht stehen Sie nicht mehr...“
Die Beteuerung klang nicht besonders
überzeugend. Beiläufig, halb im Scherz, schickte ich hinterher:
„Übrigens... Heute kurz nach Mittag ist noch
jemand tot aufgefunden worden. Ganz der Nähe meines Büros. Glauben Sie, ich hab
was damit zu tun?“
„Seien Sie nicht albern“, brummte Faroux. Ich
versprach ihm, es nicht zu sein. Mein Freund äußerte sich besorgt über meine
Stimme. Ich warf ihm vor, daß er mich in Bois-le-Roi eine Nacht im feuchten
Keller der Gendarmen hatte zubringen lassen. Das sei der Grund für meinen
Frosch im Hals. Er riet mir zu Inhalationen mit irgendeinem Teufelszeug und
legte auf.
Ich rief Marc Covet beim Crépu an.
Unhöflich legte der Journalist los:
„Welcher Teufel hat Sie...“
Ebenso unhöflich schnitt ich ihm das Wort ab:
„Erzähl ich Ihnen später. Haben Sie die
Informationen für mich?“
„Ich hab’s eilig.“
„Also: Die Besitzer der gestohlenen Fluchtautos
hießen André Acker, Arzt, und Julien Bourguet, Architekt.“
„Bourguet oder Bousquet?“
„Ach, Sie haben also auch im Archiv geblättert?
Bousquet war ein Druckfehler. Der richtige Name lautet Bourguet. Ich erinnere
mich so gut daran, weil eine ehemalige Freundin von mir genauso hieß.“
„Oft wurde der Druckfehler ja nicht wiederholt“,
bemerkte ich.
„Auch das ist Ihnen aufgefallen? Möchte wissen,
warum ich weiterrede! Sie sind offenbar bestens im Bilde. Aber was...“
„Erzählen Sie mir mehr über diesen Bourguet“,
sagte ich.
Hörte sich an wie Lucienne Boyers Parlez-moi
d’amour!
„Julien Bourguet ist ein Freund unseres Chefs“,
begann Covet. „Als er seinen Namen in der Zeitung las, kam er sofort angerannt.
Er wolle den Namen seiner Vorfahren nicht im Zusammenhang mit Verbrechern
genannt wissen, erklärte er dem Chef. Solche Art Werbung schätze er nicht.
Passiert ziemlich häufig, daß Leute, die mit Sensationsverbrechen in Verbindung
gebracht werden, sich bei uns beschweren. Man läßt sie reden, aber wenn sie
gegangen sind, kümmern wir uns ‘n Dreck darum und machen weiter, wie’s uns
paßt. Mit Bourguet war das natürlich anders. Wie gesagt, er war der Freund vom
Chef. Außerdem soll er Beziehungen zur Präsidiumsspitze gehabt haben. Also
tauchte sein Name nicht mehr in den Zeitungsberichten auf.“
„Der Arzt hatte wohl keine Vorbehalte. Kein
Artikel, in dem er nicht genannt wurde.“
„Das war ‘n junger Kerl, hatte sich grade
niedergelassen. Dem war das scheißegal. Apropos Arzt: Wie geht’s Ihrem
Schnupfen?“
„Macht Fortschritte.“
„Hört man... ‘ne Stimme haben Sie... Sie sollten
mal…“
Wie Faroux riet er mir, das Zeug mit dem
barbarischen Namen zu inhalieren.
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