Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
flexibel und
wandlungsfähig, kurz gesagt, offen für alles. Aber das wirst du wohl kaum verstehen.
Während sich alles ständig bewegt, siehst du es nur starr und still wie auf einem
Foto.«
»Bilde dir
nur ja nicht zu viel auf deine momentane Schauspielerei ein«, mahnte Leopold. »Schau
dir nur einmal eure Truppe an. Kaum gibt es die ersten Meinungsverschiedenheiten,
wird schon eine Revolution angezettelt. Statt dass ihr eure Proben ordentlich abliefert,
wollt ihr euren Regisseur versetzen. Ich nenne das nicht flexibel, sondern in höchstem
Maße unseriös. Ein klassischer Fall von Arbeitsverweigerung!«
»Wir müssen
ein Zeichen setzen«, rechtfertigte sich Korber. »Wir können uns von diesem Herrn
Walters nicht alles gefallen lassen. Es geht um den Buben. Er muss noch eine Chance
bekommen.«
»Der Bub,
für den du dich da einsetzt, ist ein ganz schönes Früchterl. Hat bei eurer Besprechung
drei weiße Spritzer getrunken. Die ganzen Lehrer und Pädagogen hat das überhaupt
nicht gestört.«
»Er hat
seine Enttäuschung darüber hinuntergespült, dass ihn der Regisseur hinausgeworfen
hat. Da kann man schon einmal ein Auge zudrücken.«
»Kann man
eben nicht, Thomas.« Leopolds Augen fixierten durch die großen Kaffeehausfenster
einen imaginären Punkt auf der Straße. »Der Alkohol hat in dem jungen Mann vielleicht
die letzte Hemmschwelle gebrochen. Hoffen wir, dass er nicht von seinen Aggressionen
übermannt wird«, sagte er, und es klang besorgt.
»Du siehst
Gespenster«, tat Korber diese Befürchtungen ab. »Gib es doch zu: Deine heile Welt
hier im Kaffeehaus ist ein bisschen aus den Fugen geraten. Das hat dich durcheinandergebracht.
Jetzt läuft in deinem Hirn natürlich schon wieder ein Kriminalfilm ab. Aber sei
unbesorgt. Weder ist der Toni ein Verbrecher, noch wird unsere kleine Aktion zu
irgendeiner Missetat führen.«
»Wer weiß,
wer weiß«, seufzte Leopold. »Ich habe da so eine Vorahnung, und die hat mich noch
selten getäuscht. Ich sehe schon, was ihr mit eurem ›Jux‹ heraufbeschwört: einen
Eklat, Gewalt, ein Verbrechen.«
»Ja, ja,
Leopold, träume nur von Mord und Totschlag«, wirkte Korber ob der letzten Ausführungen
amüsiert. »Andere Lösungen für menschliche Probleme kannst du dir wohl gar nicht
vorstellen. Hast du vielleicht noch so eine ›Vorahnung‹?«
»Allerdings«,
antwortete Leopold ohne Zögern. »Betrifft leider dich. Du bist wieder einmal auf
dem besten Weg, auf die Verführungskünste eines weiblichen Wesens hereinzufallen.«
»Meinst
du Simone Bachmann?« Korber stutzte kurz, dann brach er in schallendes Gelächter
aus. »Alle Achtung! Jetzt hörst du wirklich schon das Gras wachsen, Leopold.«
»Lach nicht,
ich kenne dich nur zu gut.«
»Sie hat
mir 50 Euro geborgt, die zahle ich ihr morgen zurück. Und?«
»Habe ich
mich verhört, oder war da nicht auch von einem Abend zu zweit die Rede?«
»Hör zu:
Ich kann nichts dafür, dass Geli momentan nicht da ist. Natürlich geht sie mir ab,
und ich hoffe auch, dass ich noch eine Chance bei ihr bekomme. Aber sie hält sich,
wie du weißt, derzeit in Salzburg auf«, brachte Korber die Sache auf den Punkt.
Leopold hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er Angela ›Geli‹ Bauer als
Lebenspartnerin seines Freundes bevorzugen würde. Korber störten seine gut gemeinten
Ratschläge jedoch außerordentlich. »Was ich in der Zwischenzeit tue, mit welchen
Frauen ich fortgehe oder sonst etwas unternehme, geht niemanden etwas an, auch dich
nicht«, fuhr er deshalb fort.
»Kennst
du diese Simone? Weißt du, was sie macht?«, fragte Leopold misstrauisch.
»Sie arbeitet
vorne am Spitz in einem Reisebüro. Heuer ist sie das erste Mal bei unserem Theater
dabei. Sie kennt Freddie Glomser gut, er bucht alle seine Reisen über sie und hat
sie überredet, mitzumachen. Ihre Schwester Elfriede, eine ehemalige Schauspielschülerin,
ist daraufhin auch zu uns gestoßen. Ich bin froh darüber, die beiden bringen ein
bisschen Leben in die Bude.«
»Ich dachte
schon, dass sie Schwestern sind, weil sie sich so ähnlich sehen«, konstatierte Leopold.
»Pass bitte auf jeden Fall auf, ich meine das ernst. Die Dame ist kühl wie ein Fisch
im Wasser.«
»Auch nicht
schlecht, jetzt, wo es so heiß ist«, witzelte Korber. »Jedenfalls sehe ich traurigen
Zeiten entgegen. Der Direktor hat mir verboten, mir etwas mit unserer Anette Riedl
anzufangen, du unternimmst alles, um mich von einer näheren Begegnung mit Simone
Bachmann abzuhalten.
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