Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
und wir noch gar nicht wissen, wie der Bursche
wirklich geheißen hat. Jedenfalls dürfen wir der Polizei das Feld nicht kampflos
überlassen, kapiert?«
Korber versuchte,
die Informationen in seinem Gehirn abzuspeichern. »So einigermaßen«, sagte er dann.
»Aber Walters war schon eine Woche nicht mehr hier. Was willst du da finden?«
Ȇberlege
doch einmal, Thomas! Wie sieht es in eurem Probenraum denn so aus? Alles geordnet,
geschlichtet und gestapelt? Jede Requisite griffbereit? Niemand, der sein Textbuch
sucht?«
Korber winkte
ab. »Ach was, bei uns herrscht die größte Unordnung, wie du dir denken kannst. Die
Dinge liegen einfach so herum. Manchmal wundere ich mich, dass selbst eine so gewissenhafte
Person wie Ilona Patzak sich so wenig um ihre Sachen kümmert.«
»Ich wundere
mich gar nicht«, stellte Leopold zufrieden fest. »Die Tätigkeit eines Schauspielers
hat offenbar etwas Wildes und Nomadisches an sich, das jedem sofort ins Blut schießt,
sobald er sich ihr verschrieben hat, egal ob als Profi oder als Amateur. Für unsere
Zwecke kann das nur gut sein. Je größer das Durcheinander, desto größer die Chance,
dass etwas von Walters zurückgeblieben und bis jetzt niemandem aufgefallen ist.
Also komm, wir dürfen keine Zeit verschwenden.«
Korber stürzte
seinen Kaffee hinunter. »Wenn du meinst«, fügte er sich in sein Schicksal. »Aber
da ist noch unser Fritz Stössl, der wacht über alles wie ein Zerberus.«
»Lass mich
nur machen, der wird bestimmt kein Problem«, versicherte Leopold. Ein anderes musste
er freilich aus dem Weg räumen. Frau Heller saß noch immer neben ihrer Tochter am
Haustisch und blies missmutig den Rauch ihrer Zigarette in die Luft. »Ich verlasse
Sie jetzt kurz, Frau Chefin«, flötete er in ihre Richtung. »Meine Zimmerstunden,
Sie wissen ja!«
Frau Heller
schaute irritiert auf. »Jetzt, mitten in der Dienstzeit?«, mokierte sie sich.
»Da der
Herr Waldbauer nicht kommt, müsste ich sonst durcharbeiten, gnä Frau!«
»Das hat
Sie bis heute auch noch nie gestört.«
»Lass ihn
doch gehen, Mama«, mischte sich da Tochter Doris ein. »Wir beide schaffen das schon.
Du hast mich ja früher auch servieren lassen. Und Leopold kommt dann wieder ausgeruht
für das Abendgeschäft zurück.«
»Dann machen
Sie meinetwegen Ihre Pause, wenn es unbedingt sein muss«, tat Frau Heller widerwillig
kund. »Aber um halb fünf Uhr sind Sie wieder da, haben Sie mich verstanden?«
»Danke,
Frau Chefin!« Leopold machte noch eine kurze Verbeugung, und schon war er mit Thomas
Korber bei der Türe draußen. Frau Heller wiegte ihren Kopf hin und her, während
sie ihm nachschaute. »Zimmerstunden, dass ich nicht lache«, sagte sie. »Er geht
jetzt bestimmt diesen Mordfall untersuchen. Von ausgeruht zurückkommen kann also
keine Rede sein. Dabei ist er nicht mehr der Jüngste und sollte ein bisschen mehr
auf sich schauen. Der kleine Urlaub im August wird ihm sicher gut tun.«
9
»Was die Leute denken werden?
Gewiss nicht viel, schon deswegen, weil die denkenden Leute die wenigsten sind.«
(Nestroy)
»Wir sollten heute getrennt zur
Probe gehen.«
»Warum denn?
Die anderen wissen längst über uns Bescheid, glaube mir.«
»Dessen
bin ich mir nicht so sicher. Lassen wir sie ruhig ein bisschen im Ungewissen.«
»Na schön!
Aber ewig kann das nicht so weitergehen, Sonja. Wir kommen mit den anderen jetzt
praktisch jeden Tag zusammen. Wir können uns doch nicht die ganze Zeit verstellen.«
»Nicht mehr
lange, Sven. Ich bin so durcheinander. Walters ist tot, hast du es schon gehört?«
»Ja, es
dürfte sich schnell herumgesprochen haben.«
»Glaubst
du, dass er ermordet wurde?«
»Wenn du
mich fragst, sieht es ganz danach aus.«
Sonja Friedl
machte einen tiefen Seufzer in ihr Handy. »Mein Gott, Sven, ich weiß überhaupt nicht,
was ich tun soll.«
»Du meinst
wegen des Geldes?«
»Natürlich!
Ich kann doch nicht so einfach hergehen und sagen, ich hätte gehört, dass ich ihn
beerbe. Da werde ich sicher gleich verdächtigt, ihn umgebracht zu haben. Außerdem
zweifle ich immer mehr daran, dass die Sache stimmt.«
»Warum soll
sie nicht stimmen? Ich musste mich extra einen Abend mit ihm zusammensetzen, damit
er mir die Geschichte erzählt. Es schien ihm sehr wichtig zu sein.«
»Trotzdem
hat er anscheinend ein großes Geheimnis daraus gemacht. Irgendwie kommt mir das
Ganze total verrückt vor.«
»Dann warte
doch einfach ab. Wenn das Geld wirklich dir gehört, wirst du es schon
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