Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
Heller
mit einem Teller Schinkenfleckerl und einem Glas Mineralwasser in Richtung Billardtische
vorbeihuschen. »Eine zweite Portion Fleckerl steht in der Küche, dazu bringen Sie
bitte ein Cola. Aber etwas hurtig, wenn ich bitten darf. Alles kann ich nicht alleine
machen«, rief sie ihm zu.
»Jawohl,
Frau Chefin«, entgegnete er dienstbeflissen. Ja, ja, es war wieder etwas mehr im
Kaffeehaus zu tun, und das war gut so. Aber in Gedanken suchte Leopold bereits nach
der Lösung des Rätsels um den Tod von Herwig Walters, oder wer auch immer sich hinter
diesem Namen verbarg.
*
Frau Heller saß neben ihrer Tochter
Doris am Haustisch, erholte sich vom mittäglichen Wirken in ihrer kleinen Küche
und rauchte zu diesem Zweck eine Zigarette. Sie redete nicht viel und schien auch
sonst nicht bei guter Laune zu sein. »Sagen Sie, kommt der Waldi Waldbauer heute
gar nicht zum Dienst?«, erkundigte Leopold sich vorsichtig.
»Also wirklich,
Leopold, merken Sie sich gar nichts mehr?«, erinnerte sie ihn kopfschüttelnd. »Ich
habe es Ihnen gestern gesagt: Aufgrund der Hitze und des bescheidenen Geschäftsganges
habe ich Herrn Waldbauer für heute und morgen freigegeben. Das bisschen Betrieb
schaffen Sie schon alleine – wenn Sie nicht gerade mit Ihrem Freund, dem Oberinspektor,
darangehen, einen Fall zu lösen und Gott und die Welt darüber vergessen.«
»Aber bitte,
Frau Chefin, ich …«
»Schon gut,
Leopold«, lenkte Frau Heller ein. »Keine Ausreden, bitte, ich bin Ihnen nicht böse.
Aber es nützt mir nichts, wenn Sie den Mörder von Herwig Walters suchen. Ich hätte
ihn lebend gebraucht. Wir hätten hier gemeinsam ein großes Kulturzentrum geschaffen.
Alles war schon abgesprochen, und dann stirbt er mir einfach unter der Nase weg.«
»So schlimm
ist es nun auch wieder nicht«, befand Leopold. »Bis jetzt ist es ja auch ohne Kulturzentrum
gegangen.«
»Es ist
ein harter Schlag, aber ich werde weiterkämpfen, Leopold«, versicherte Frau Heller
mit Bestimmtheit. »Vielleicht muss ich mich jetzt doch an diesen Glomser halten.
Sagen Sie Herrn Korber jedenfalls, er soll mit den Schauspielern wieder ehebaldigst
zu uns kommen, damit wir die Weichen neu stellen können.«
»Ich werde
mein Bestes tun, Frau Chefin!«
Kaum hatte
sich Leopold mit diesen Worten vom Haustisch entfernt, stand Thomas Korber auch
schon vor ihm. »Du wirst nicht glauben, was ich dir jetzt sage«, verkündete er frohgemut.
»Der Tote
ist doch Walters«, nahm ihm Leopold sofort den Wind aus den Segeln. »Ist mir bereits
bekannt.« Dann verzog er seinen Mund zu einem breiten Grinsen und deutete mit den
Fingern auf sein Gebiss. »Auf die Zähne hätten wir schauen müssen. Man muss immer
auf die Zähne schauen, wenn sie auch noch so schiach sind.«
»Du weißt
es also schon. Hätte ich mir denken können.« Enttäuscht lehnte sich Korber an die
Theke. »Allerdings ist mir ein Rätsel, warum ich ihn nicht erkannt habe. Immerhin
hatte ich schon eine Weile mit ihm zu tun.«
»Erstens
hast du nicht genau hingeschaut, weil dir gegraust hat«, begann Leopold aufzuzählen.
»Zweitens sind dir seine langen roten Haare abgegangen, und du hast nicht daran
gedacht, dass sie nur eine Perücke gewesen sein könnten. Drittens sieht man nicht
alle Tage eine Wasserleiche in voller Schönheit. Das könnten die Gründe sein.«
»Spotte
nicht, Leopold, schließlich hast auch du gesagt, er ist es nicht. Gib mir lieber
einen großen Braunen und ein ganz großes Glas Wasser.«
»Einen kleinen
Braunen und ein kleines Glas Wasser kannst du haben.«
»Warum denn
das schon wieder?«, protestierte Korber.
»Weil wir
gleich gehen müssen.«
Jetzt verstand
Korber überhaupt nichts mehr. Leopold ließ ihn auch gar nicht zum Nachdenken kommen.
»Wann fängt heute eure Probe an?«, erkundigte er sich.
»Um halb
vier, in etwas mehr als einer Stunde«, gab Korber überrascht Auskunft. »Es ist unsere
letzte Probe in der Schule und gleichzeitig die erste Kostümprobe. Stress pur! Deshalb
möchte ich es mir ja bei euch noch ein bisschen gemütlich machen.«
»Nichts
da! Wahrscheinlich wird der Stress noch ein bisschen größer, denn die Polizei wird
bei euch auftauchen, euch befragen und alles durchsuchen. Da müssen wir vorher da
sein!«
»Und weshalb?«
Leopold
griff sich auf die Stirn. »Thomas, aus dir wird nie ein Detektiv«, stellte er lapidar
fest. »Natürlich um Spuren von Walters zu finden. Das wird umso wichtiger sein,
als Walters nur sein Künstlername war,
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