Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
die Zunge. Bollek würde mit seiner Art,
auch wenn er schon viel beherrschter vorging, nie viel zu hören bekommen. Aber er
war wichtig als Vorbereiter.
»Erich Wondratschek
hat uns bekannt gemacht«, sagte Glomser, um einiges weniger aufgeregt. »Ein Mann,
der viele Leute kennt und derzeit im Ensemble des Gloria-Theaters mitspielt. Ich
habe schließlich die Regieassistenz übernommen, war sozusagen das Bindeglied zwischen
Schauspielern und Regisseur. Walters kannte ja niemanden. Darum habe ich ihn noch
zweimal zu Besprechungen getroffen, eben an dieser einen Adresse, wo ich nachher
mit Korber war, ich schwöre es.«
»Welche
Meinung hatten Sie von ihm?«
Glomser
überlegte kurz. »Er war sicher ein Fachmann«, konstatierte er dann. »Aber den Draht
zum Ensemble hat er nie gefunden. Von Anfang an wollte er offenbar nicht wahrhaben,
dass er es hier mit keinen Profis zu tun hatte. Er war einfach weltfremd und affektiert
und hat viel zu sehr den Künstler herausgekehrt. An manchen Tagen ist er sogar mit
leicht geschminkten Lippen zur Probe erschienen.«
»Wussten
Sie eigentlich, dass Herwig Walters nur ein Künstlername war?«
»Nein, aber
ich habe es mir beinahe gedacht. Es passte irgendwie zu ihm.«
»Danke,
das ist einstweilen alles«, beendete Juricek das Gespräch. »Wenn wir weitere Fragen
haben, werden wir uns natürlich wieder an Sie wenden. Und an jeden anderen auch.
Das heißt, dass wir uns die Freiheit nehmen, wieder anlässlich einer Probe aufzutauchen,
wenn es der Wahrheitsfindung dient. Dort sind Sie ja alle am sichersten anzutreffen.
Zunächst müssen wir aber einmal das Ergebnis der Obduktion abwarten.«
*
Die Überprüfung der möglichen Alibis
ergab schließlich Folgendes: Glomser, Pribil und Stössl behaupteten, zur vermuteten
Tatzeit am späten Freitagabend zu Hause bei ihren Frauen gewesen zu sein. Pribil
wies außerdem darauf hin, Nichtschwimmer zu sein und schon alleine deshalb für einen
Mord nicht in Frage zu kommen. Sven Biedermann und Sonja Friedl gaben an, die Nacht
gemeinsam in Biedermanns Wohnung verbracht zu haben. Toni Haslinger und Anette Riedl
hatten sich ihrer Aussage nach daheim bei ihren Eltern befunden. Simone Bachmann
und ihre Schwester Elfriede hatten noch ziemlich lange mit Freunden in einem Lokal
am Donaukanal gefeiert. Einzig und alleine Ilona Patzak und Thomas Korber konnten
als Singles keine Zeugen nennen, die bestätigten, dass sie sich zu der späten Stunde
in ihren eigenen vier Wänden aufgehalten hatten.
An eine
ernsthafte Durchlaufprobe mit allem Drum und Dran war nun freilich nicht mehr zu
denken, zu groß waren Verunsicherung und Nervosität. Man beschränkte sich daher
auf den Ablauf einiger wichtiger Szenen und tröstete sich damit, dass in der kommenden
Woche im ›Haus der Begegnung‹ ohnedies alles anders sein würde, vor allem wegen
der Abstimmung auf das dort aufgebaute Bühnenbild sowie auf die licht- und tontechnischen
Effekte.
»Ich hoffe
nur, dass wir dort unsere Ruhe haben«, murrte Pribil. »Ich bin ein Präzisionsarbeiter.
Wenn die Polizei noch einmal auftaucht und mich in meiner Konzentration stört, kann
ich für nichts garantieren.«
»Wir können
alle nur das Beste hoffen«, seufzte Glomser und setzte damit einen Schlussstrich
unter sämtliche Debatten. »Was sollen wir denn sonst machen? Ich habe andere Sorgen.
Ich brauche noch dringend einen Einbrecher für die paar Sätze in der letzten Szene,
sonst muss doch der Stössl die Doppelrolle spielen. Aber irgendwie wird es schon
gehen. Also dann bis Montag um vier Uhr Nachmittag.«
Damit war
die Probe beendet. Nun mussten nur noch die Kostüme und Requisiten in die vorbereiteten
Kisten und Plastiktaschen verpackt werden, damit man sie am Montag problemlos ins
Haus der Begegnung schaffen konnte. Danach zerstreuten sich alle. Auch aufs Kaffeehaus
hatte offenbar keiner mehr so richtig Lust.
Anette Riedl
beschloss, diesmal doch lieber den Autobus zu nehmen, obwohl es noch hell war. Als
sie sich, ihrer nervösen Gewohnheit nachgebend, beim Überqueren des Franz Jonas-Platzes
umdrehte, bemerkte sie Toni Haslinger, der sich offenbar ebenfalls auf die Haltestelle
zu bewegte. Ihr fiel ein, dass er ja gar nicht so weit weg von ihr wohnte. »Hallo,
fährst du etwa auch mit dem Bus?«, fragte sie ihn.
»Ja«, kam
die einsilbige Antwort.
Einige Augenblicke
gingen sie schweigend nebeneinander her. Das gefiel Anette nicht, und so fing sie
erneut zu reden an: »Normalerweise gehe ich lieber zu
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