Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
das Grinsen wohl länger aushalten würde. »Er
hat immer wieder einen anderen Namen hervorgezaubert, mit dem er die Leute in die
Irre geführt hat«, fuhr Wondratschek schließlich fort. »Es hat ihm Spaß gemacht,
die Menschen zu täuschen. Ich glaube, es gibt nur wenige, die je einen Ausweis von
ihm gesehen haben. Ich gehöre jedenfalls nicht dazu.« Er überlegte, doch der Reiz
der Geschichte, die es zu erzählen galt, siegte: »Eines dieser Gerüchte hält sich
so hartnäckig, dass man es beinahe glauben muss. Es heißt, Walters sei als Kind
so oft verspottet worden, dass er, wenn man ihn nach seinem Namen fragte, immer
einen anderen nannte, aus Protest sozusagen.«
»Keinen
Firlefanz, den Namen bitte.« Leopold wurde ungeduldig.
Wondratschek
schmunzelte. »Wie gesagt, es ist nur ein Gerücht. Aber wenn man es für bare Münze
nimmt, dann hieß er Kalbfleisch – Walter Kalbfleisch!«
10
»Er is gerad’ so ehrlich, dass
man ihn nicht aufhängen kann.« (Nestroy: Reserve und andere Notizen)
Im Probenraum des ›Floridsdorfer
Welttheaters‹ herrschte helle Aufregung. Schon bald nachdem sich Leopold dort verabschiedet
hatte, waren die einzelnen Schauspieler eingetroffen und hatten begonnen, sich zu
kostümieren. Mitten in die Vorbereitungen für die letzte Hauptprobe war dann die
Polizei geplatzt. Statt zu proben hieß es Auskunft geben und Rede und Antwort stehen,
und zwar hauptsächlich Inspektor Bollek und seiner Kollegin Dichtl, während Juricek
sich darauf beschränkte zuzuhören und sich ein wenig im Raum umzusehen.
Korber nahm
Simone Bachmann auf die Seite. »Erzähl den anderen bitte nichts von unserer gemeinsamen
Schwimmtour«, raunte er ihr zu. »Ich hab die liebe Ilona ein bisschen angeschwindelt,
sie muss das nicht gleich merken. Ich sehe zu, dass Inspektor Bollek – das ist der
Herr mit dem leicht rötlichen Gesicht – Bescheid weiß. Er war gestern ohnehin am
Tatort und hat sicher Verständnis für die Sache.«
»Keine Angst,
mir ist das alles auch unangenehm«, lächelte Simone nervös. »Wie geht es dir denn?«
»Schon wieder
besser als gestern. Und dir? Was machst du denn am Wochenende?«
»Ich weiß
nicht! Ich muss das Ganze erst richtig verkraften.«
»Ich rufe
dich an.«
»Das kannst
du. Aber erwarte dir bitte nicht zu viel, ja?«
Sie ging
zu den anderen. Korber informierte Bollek kurz über die Situation. »Wird gemacht«,
zwinkerte der ihm zu. »Ein neues Pantscherl?«
»Frag mich
nicht, Norbert, ich weiß es nicht«, antwortete Korber, der den spröden, mit der
Zeit aber umgänglicher gewordenen Bollek anlässlich des letzten Kriminalfalles auch
privat ein wenig näher kennengelernt hatte. »Geli ist weg, du weißt ja. Und wie
steht es bei dir und Nora?«
Bollek machte
eine wegwerfende Handbewegung. »Die Sache ist reichlich kompliziert. Reden wir ein
andermal darüber. Es wäre ein guter Grund, wieder einmal gemeinsam fortzugehen.
Jetzt bin ich leider dienstlich hier.« Damit begann er mit seinen Befragungen, zuerst
bei Korber, dann bei den weiteren Mitgliedern der Theatergruppe.
Freddie
Glomser passte das überhaupt nicht. Er ließ seinem Unmut freien Lauf: »Ich weiß
wirklich nicht, wie ich hier noch jemals ein ordentliches Theaterstück auf die Bühne
bringen soll«, zeterte er. »Zuerst setzt man mir einen anderen Regisseur vor die
Nase. Der verschwindet plötzlich, und dann soll wieder ich die Verantwortung übernehmen.
Mittlerweile ist er tot, was offenbar dazu führt, dass meine Arbeit endgültig sabotiert
wird. Wir haben nächste Woche nur mehr vier Proben im Theater und sind weit davon
entfernt, einen ordentlichen Durchlauf zuwege zu bringen. Ich möchte wissen, wer
für diese Aktion verantwortlich ist, damit ich mich nachher entsprechend beschweren
kann.«
»Eine Beschwerde
dürfte Ihnen wenig nützen, da es die Pflicht der Polizei ist, festzustellen, wie
Herwig Walters zu Tode gekommen ist«, gab Juricek ruhig Auskunft. »Am besten ist,
Sie regen sich nicht auf, sondern machen Ihre Aussage. So geht alles am schnellsten
vorüber.«
»Nicht aufregen
soll ich mich?«, steigerte sich Glomser weiter in Rage. »Wenn ich sehe, wie langsam
hier alles vonstatten geht? Vor allem dieser Herr macht eher ein Plauscherl, als
zügig in den Ermittlungen fortzufahren. Das ist ja wirklich geradezu klassisch.«
Er deutete
dabei auf Bollek. Dessen Gesicht wurde unmerklich röter. Er hatte in wochenlanger
harter Arbeit gegen seine Neigung zum Jähzorn angekämpft, hatte
Weitere Kostenlose Bücher