Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
aufbewahrte. Wen wollte Walters ansprechen und warum?
Vorausgesetzt, er meinte ein Mitglied der Schauspieltruppe, so kamen nur drei Personen
in Frage: Simone (Bachmann), Sonja (Friedl), Sven (Biedermann). Es konnte sich dann
nur um einen Vornamen handeln. Das war untypisch für einen Mann wie Walters, der
ein distanziertes Verhältnis zu seinen Schauspielern pflegte. War er einem der drei
vielleicht doch nähergestanden? Oder musste man nach jemand komplett anderem suchen? Geistige Notiz: Eventuelle Beziehung von Walters zu einem der drei abklären.
Viertens:
Die Telefonnummer 271 22 73, diese Telefonnummer hatte sich auf demselben Zettel gefunden.
Natürlich hatte Leopold schon dort anzurufen versucht, vor allem, weil es sich ja
um einen der drei ›S‹ handeln konnte. Aber er war nur auf die weibliche Stimme von
einem Anrufbeantworter gestoßen, die er zudem kaum verstanden hatte, nur soviel,
dass man bat, am Montag wieder anzurufen. Vermutlich handelte es sich also um die
Nummer einer Firma. Geistige Notiz: Am Montag abklären, Weitergabe der Fakten
an Juricek prüfen.
Fünftens:
Die Zigarre. Unter Christopherls, sprich Toni Haslingers, Kostüm war eine Zigarre
gelegen. Gehörte sie Toni oder Walters? Wenn sie, was man eher annehmen musste,
Eigentum von Walters war, blieb die Frage, warum sie eine Woche lang niemandem im
Probenraum aufgefallen und wie sie unter das Kostüm geraten war. Purer Zufall, durch
Unordnung verursacht? Jedenfalls hatte sich Leopold entschlossen, das gute Stück
zunächst einmal in Verwahrung zu nehmen. Geistige Notiz: Der Sache ohne Juricek
auf den Grund kommen.
»Der Herr
am zweiten Fenster schaut die ganze Zeit schon so herüber, als ob er noch ein kleines
Bier wollte. Haben Sie das nicht bemerkt, Leopold?«, störte ihn Frau Heller in seinen
Gedanken.
»Komme sofort«,
bedeutete Leopold dem Gast.
»Ich weiß
nicht, sonst sehen Sie so etwas gleich«, bekrittelte Frau Heller. »Sie sollten weniger
an Ihre Verbrechen und mehr an Ihre Arbeit denken. Und über meine Pläne sollten
Sie sich nicht so alterieren. Die kleine Pause im August wird Ihnen sicher gut tun,
um wieder zu frischen Kräften zu kommen.«
Leopold
brummte: »Jawohl, Frau Chefin!« Während er ein kleines Bier aus dem Eiskasten nahm,
ertönte ein kurzes, gelangweiltes »Schach und matt« von Herrn Heller.
»Das gibt’s
nicht«, wunderte sich Herr Sedlacek. »Diese Variante ist mir den ganzen Urlaub über
nicht untergekommen. Dabei hab ich so viel mit dem Herrn Reinprecht geübt.«
»Wenn Sie
sich erinnern können, hab ich Sie vor Ihrem Urlaub schon zweimal so matt gesetzt«,
bemerkte Herr Heller ungerührt.
»Ja, jetzt
fällt’s mir wieder ein«, wand sich Herr Sedlacek. »Aber ich habe nicht geglaubt,
dass Sie’s noch einmal auf diese Art probieren werden.«
Leopold
entkam diesem fruchtlosen Gespräch, indem er sich zur Tarockrunde begab und dort
die Bestellung für eine weitere Runde Achtel Wein einholte. Er kam sich keineswegs
reif für eine Pause vor. Die Arbeit machte Spaß, aber sie störte manchmal beim Denken,
das war das Problem. Er versuchte, den Faden wieder aufzunehmen. Am unklarsten war
natürlich der Tod von Walters selbst. Abgesehen davon, dass sich Leopold sicher
war, dass es sich um einen Mord handelte: Wie war die Sache vor sich gegangen, genauer
gesagt, wie war Walters dorthin gelangt, wo ihn Korber und Simone Bachmann gefunden
hatten?
Theorie
1: Die einfachste Theorie: Walters war gemeinsam mit seinem Mörder hinausgeschwommen.
Die Tat war entweder schon im Voraus geplant gewesen oder durch einen Streit provoziert
worden. Frage: War es bei Schauspielern an der Tagesordnung, nachts zu zweit
nackt baden zu gehen?
Theorie
2: Walters wollte alleine baden gehen, der Mörder hatte ihm aufgelauert. Frage: War er vielleicht schon in Ufernähe ertränkt und dann weiter hinaustransportiert
worden?
Theorie
3: Walters war überhaupt woanders umgebracht worden. Frage: Wie
kam sein Körper dann mitten in die Alte Donau, etwa 100 Meter vom Ufer und noch
weiter von jeglicher Brücke entfernt?
Weshalb
gab es am Leichnam keine Spuren eines Kampfes? Und warum hatte man Walters’ Kleidung
entfernt, was doch sofort auf ein Verbrechen schließen ließ? Wäre es vom Täter nicht
gescheiter gewesen, sie liegen zu lassen, damit alles auf einen Unfall oder Selbstmord
hindeutete?
Fragen über
Fragen. Dabei wäre Leopold beinahe entgangen, dass zwei neue Gäste zur Kaffeehaustür
hereinkamen: Peter Pribil und
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