Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
anfängt, ist alles umsonst. Dabei ist es dem Manne nicht gegeben, treu zu sein.
Meine Marie [3] hat das leider auch sehr schnell
bemerkt. Die Einsicht in ihre Aussichten hat sie dann zu äußerster Vorsicht bewogen.
Jeden Kreuzer hat s’ dreimal um’dreht, ehe sie ihn mir gnadenhalber gegeben hat.
Na ja, vielleicht war’s besser so. Aber niemand kann seinen Neigungen durch das
Eingehen einer Verbindung davonlaufen, das können S’ Ihrem Freund ausrichten.«
»Ich hab
im Moment andere Sorgen«, klagte Leopold, dem Nestroys Parteinahme für Thomas Korber
überhaupt nicht gefiel. »Nämlich vor allem, wie ich so alleine den Mörder dieser
Person finden kann. Da hab ich mir gedacht, vielleicht können Sie mir helfen.«
»Ich? Warum
grad ich?«, wunderte sich Nestroy.
Leopold
steckte seinen Kopf nun näher zu dem von Nestroy, und obwohl sich die beiden ganz
alleine im morgendlichen Café Heller befanden, sprach er leise und vertraulich:
»Der Tote hat zu der Theatergruppe gehört, die Ihren ›Jux‹ aufführt. Er war der
Regisseur. Bei so was kennen Sie sich ja aus.«
»Ein’ Regisseur
hab’n s’ ab’kragelt?« Wiederum wirkte Nestroy äußerst interessiert. »Dann ist’s
nur die Frag’, ob es das Publikum, die Kritiker oder die Schauspieler waren.«
»Das Rätsel
habe ich schon gelöst. Höchstwahrscheinlich war’s einer von den Schauspielern, denn
Vorstellungen hat’s noch keine gegeben, also fehlt’s einstweilen an Kritikern und
Publikum«, rekapitulierte Leopold.
»So sag
Er mir, auf welche Weise ich ihm dann noch behilflich sein kann. Ich könnt’ eine
Posse aus der Sache machen, aber wahrscheinlich ist’s nicht das, was Er im Sinne
hat.«
»Geben Sie
mir nur einfach ein paar Tipps«, bat Leopold. »Sie wissen ja vor allem Bescheid,
auf was man bei den Schauspielern so alles achten muss. Und wie’s auf der Welt zugeht
wissen Sie auch, darüber haben Sie in Ihren Stücken mehr als genug geschrieben.
Also müssen Sie doch den einen oder anderen Hinweis für mich haben. Soll ich Ihnen
vielleicht die ganze Geschichte erzählen?«
»Nein, um
Gottes willen«, wehrte Nestroy ab. »Das würd’ mich nur wirr machen. Seit ich tot
bin, merk’ ich mir leider überhaupt nix mehr. Lassen S’ mich halt ein bisserl nachdenken,
wenn Ihnen die Sache so wichtig ist.«
Er stand
da, bewegungslos, das Kinn auf den rechten Handrücken gestützt, und starrte einige
Augenblicke geradeaus nach vor, so als ob es um ihn herum nichts gäbe außer dem
dämmrigen Zwielicht. »Hmmmm«, brummte er ein paar Male. Dann fuhr sein Zeigefinger
ruckartig nach oben, und seine hagere Gestalt baute sich in voller Länge vor Leopold
und der Theke auf. »Ich hab’s. Jetzt ist mir ein bissl was eing’fall’n«, verkündete
er stolz. »Zuallererst: Er hat es mit Schauspielern zu tun. Da ist alles Theater.
Wahrheit und Trug tragen einen ständigen Kampf miteinander aus, und wer von beiden
schließlich die Oberhand gewinnt, ist eine höchst ungewisse Sach’. Was echt ausschaut,
kann falsch sein, und was falsch ausschaut, hat oft grad z’Fleiß einen Pakt mit
der Wirklichkeit g’schloss’n. Nix ist so, wie es scheint, und auf gar nix kann man
sich verlassen, außer dass man verlassen ist, wenn man sich nicht drauf einstellt.
Glaub’n S’ niemandem, wenn S’ auch nur ein Stückerl von dem erfahren woll’n, wie’s
g’wes’n ist. Hab’n S’ mich verstanden?«
Leopold
nickte. Klang alles vernünftig und gar nicht weit hergeholt. Nestroy räusperte sich
und fuhr mit seinen Überlegungen fort: »Zweitens, weil ja jetzt grad wieder einmal
der ›Jux‹ von mir gegeben wird: Die Menschen neigen aus Übermut, und weil sie glauben,
es ist g’spaßig, dazu, sich einen Jux zu machen. Alle woll’n s’ verfluchte Kerle
sein und schaufeln sich mitunter ihr eigenes Grab dabei. So eine Sache muss ja nicht
immer ein gutes Ende nehmen, denn zu jedem Jux gehört einer, der draufzahlt, folglich
nicht mitmacht bei dem Spiel und hin und wieder den Spieß gewaltig umdreht. Also
denken S’ darüber auch einmal nach.«
Leopold
fand die Bemerkungen Nestroys immer interessanter. War der Jux der Theatertruppe,
vielmehr dass Walters davon erfahren hatte, der Grund für seinen Tod gewesen? »Drittens
müssen Sie sich merken«, deklamierte Nestroy da schon weiter, »dass das liebe Geld
überall eine Rolle spielt und für alles und jedes ein Grund ist. Da ist einmal der
liebe Bruder Neid, den ein Großteil der Menschheit zum hervorragendsten Teil
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