Netha-Chrome
Vielleicht checkte er aber auch nur, ob ich wirklich der war, der ich vorgab zu sein.
„ Das ist ein direkter Protektorats-Befehl. Erlassen und unterschrieben von General Lesotho!“
Tijuana senkte ihr Haupt wie ein Delinquenter vor dem Scharfrichter. „Dann dürfen wir uns diesem Befehl nicht widersetzen“, murmelte sie leise.
Ich presste die Kiefer aufeinander und schnaubte. Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie kam mir das Vorgehen des Protektorates zum allerersten Male falsch vor. Für gewöhnlich hinterfragte ich keine Befehle des Protektorates. Das tat niemand. Niemand lehnte sich gegen irgendwelche Entscheidungen auf, weil jeder darauf vertraute, dass unsere Regierung das Richtige tat. Vielen war es aber einfach auch nur egal. Bislang hatte ich mich auch weniger für irgendwelche Entscheidungen und Erlässe interessiert. Ich hatte sie hingenommen, obwohl ich einiges davon insgeheim hinterfragt, meine Zweifel jedoch niemals öffentlich ausgesprochen hatte. Weil man so etwas einfach nicht tat. Und plötzlich machte mir genau diese Erkenntnis Angst.
„Ihr begeht einen großen Fehler“, sagte ich zu dem Soldaten. Dieser stutzte und ich fuhr unvermindert fort: „Ich bin im Auftrag des MSS unterwegs. Wir sind bereits hinter den Drahtziehern des Blackouts her. Wenn Sie jetzt durch die Stadt rennen und alle Leute einkassieren, die irgendwann in ihrem Leben mal einen unbedeutenden Server gehackt haben, kriegen wir die wahren Schuldigen nie!“
Plötzlich herrschte eine beunruhigende Stille im Raum. Die Soldaten um mich herum erstarrten, als hätte ich gerade vor ihren Augen den König ermordet. Und auch Ti schaute mich seltsam an.
„Arkansas! Hast du nicht zugehört? Das ist ein direkter Protektorats-Befehl! Ich gehe mit ihnen. Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen. Die werden mich schnell wieder laufen lassen.“ Fast konnte ich nicht glauben, wie bereitwillig meine eigentlich sehr widerspenstige Waffengefährtin plötzlich war. Ich holte Luft um etwas zu erwidern, da schallte eine Stimme in meinem Kopf wider.
„ Lassen Sie sie gewähren, Arkansas!“ Ich runzelte meine Stirn und glaubte schon an eine Halluzination, als die Stimme fortfuhr. „ Ich bin es, Toluca. Ich habe mich in ihren Nano-Boss gehackt, um mit ihnen zu kommunizieren, ohne zurückverfolgt werden zu können. Lassen Sie die Soldaten gewähren. Wenn Sie sich dagegen wehren, bringen Sie sich und Ihre Freunde in große Gefahr. Tun Sie so, als hielten Sie die Festnahme für unumgänglich und kooperieren Sie. Ich erkläre Ihnen alles, aber jetzt müssen Sie tun, was ich Ihnen sage. Und lassen Sie sich nicht anmerken, dass ich Sie kontaktiert habe!“
Ich schaute durch die Runde, die mich immer noch leicht entsetzt anschaute.
„Wollen Sie sich wirklich einem solchen Befehl widersetzen ?“, fragte mich einer der Soldaten mit einem gestrengen, wenn auch fast ungläubigem Unterton.
Ich verharrte kurz und machte dann eine wegwischende Handbewegung. Ich wusste zwar immer noch nicht, was ich von dieser ganzen Sache halten sollte, aber ich beschloss, vorerst auf Tolucas Rat einzugehen. Zumindest bis ich wusste, was hier genau ablief.
„Natürlich. Ein direkter Protektorats-Befehl. Wie konnte ich nur so dumm sein? Tut mir leid, Soldat.“ Die Bewaffneten um mich herum verharrten noch kurz, um sich gegenseitig fragend anzuschauen, dann nickten sie mir zu.
„ Gut, dass Sie vernünftig bleiben“, sagte einer von ihnen und legte Tijuana Handschellen an. Diese ließ es ohne jede Gegenwehr über sich ergehen. In mir kroch eine unglaubliche Wut hoch, eine Hilflosigkeit, die ich am liebsten laut herausgeschrien hätte. Aber ich durfte es nicht. Ich konnte es auch gar nicht. Und das Schlimmste war, ich wusste nicht, warum ich es einfach nicht konnte. Es lag nicht daran, dass Toluca mir nahegelegt hatte, es zu akzeptieren. Ich war nicht in der Lage, mich gegen diese Vorgehensweise zu wehren. Obgleich ich es wollte, weil ich es einfach als falsch empfand. Aber wieso? Ich hatte mich gegen die MDA zur Wehr gesetzt, gegen diverse Befehle des MSS, und hatte auch öfters gegen meine Vorgesetzten zu Armeezeiten rebelliert. Und jetzt?
Die Soldaten führten Tijuana an mir vorbei. Unsere Blicke streiften sich kurz. In ihren Augen war Leere. Kein Feuer das nur darauf wartete, herauszubrechen und diesen Soldaten zu zeigen, wen sie da gerade in Handschellen abführten. Sie ließ es einfach geschehen. So wie ich.
Als die Truppe die Latina durch den
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