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Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Titel: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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durchs Leben gehen,
verlieren wir unsere Seele.«
Paulus
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    Die wichtigsten Fragen sind nun: Was bewirkt Scheinmoral bei uns? Wann erkennen wir sie, und wie können wir uns dagegen wehren? Und vor allen Dingen, wie können wir uns davor schützen, selbst heuchlerisch zu sein?
     
Moral ist eine Waffe, die immer
dann gezogen wird,wenn wir nicht das tun,
was andere wollen.
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    Scheinmoral begegnet uns überall – sie ist auch eines der am häufigsten angewandten Manipulationsmittel. Mit moralischen Appellen will uns jemand dazu zwingen, das zu tun, was er möchte – oder wir zwingen uns selbst dazu, den Konventionen zu entsprechen. Durch unsere Bereitschaft dazu glauben wir, zu einem besseren Menschen zu werden.
    Ich sammele einen ganzen Samstagvormittagvormittag ehrenamtlich Spenden für Amnesty International, um das Gefühl zu haben, anderen Menschen zu helfen, obwohl ich die Zeit lieber auf dem Sofa verbracht hätte.
    Ich werde zum Buddhisten und unterdrücke sämtliche negativen Impulse, weil ich mir dann ein besseres Schicksal für das nächste Leben erhoffe.
    Ich gehe nicht fremd, damit ich verlangen kann, dass auch mein Partner nicht fremdgeht, und nenne das Liebe.
    Ich arbeite jahrzehntelang für einen Arbeitgeber und gebe mir große Mühe, nicht entlassen zu werden – nicht, weil ich meine Tätigkeit für sinnvoll halte.
    Ich gebe mich verständnisvoll und hilfsbereit, um viele Freunde zu haben.
     
    Natürlich werden die Hoffnungen, die jemand mit seinem guten Verhalten verbindet, nicht immer erfüllt. Dennoch bestimmen sie zwanghaft das Handeln, und dies oft so sehr, dass nicht mehr zu erkennen ist, was jemand wirklich will. Nur wer sich gegen pseudomoralisches Verhalten zur Wehr setzt, kann wieder die Kontrolle über seine Wünsche und Zeit zurückerlangen – oder wie der Psychotherapeut Jürgen Stepien es ausdrückt, vom Opfer oder Täter zum Schöpfer seines Lebens werden.
     
    Jeder kennt solche oder ähnliche Sätze, die zum Erziehungsrepertoire vieler Eltern gehören:
     
    Du darfst dich nicht über andere lustig machen.
    Wie kannst du nur so respektlos sein?
    Gib nicht so an!
    Mit Menschen, die lästern, kann man nicht befreundet sein.
    Versprechen muss man halten.
    Unehrlichkeit ist eine der schlimmsten Eigenschaften, die es gibt.
     
    Die Schwierigkeit dieser Maximen lässt sich am Beispiel des Lästerns gut erläutern: Alle Menschen eint das dringende Bedürfnis, über andere Menschen zu sprechen. Denn wir sind verschieden und verstehen oft nicht, warum unsere Freunde, Eltern, Liebhaber, Chefs oder Kollegen uns missachten, immer wieder dieselben Fehler machen, Abwegiges tun oder das Naheliegende unterlassen. Um uns selbst und unsere Gefühle besser zu verstehen, müssen wir aber über andere Leute mit Dritten sprechen: Bin ich so wütend auf Markus, weil mit mir etwas nicht stimmt oder weil mit Markus etwas nicht stimmt? Dazu ist die Meinung eines neutralen Dritten wichtig – die von Markus zählt in diesem Fall wohl kaum.
    Trotzdem gibt es immer wieder Menschen, die diese für unser Seelenleben so notwendigen Gespräche mit dem Hinweis unterbinden, dass sie grundsätzlich nicht über andere lästern. Meist raten sie sogar dazu, gerade mit dem ungeeignetsten Menschen über die Probleme zu sprechen, nämlich dem Verursacher dieser Schwierigkeiten – und führen uns so ihr strahlendes besseres Wesen vor.
     
Lästern Sie – vor allem über die Menschen,
die angeblich nicht lästern.
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    Die Nicht-Lästerer glauben, respektvoller als wir zu sein, dabei wenden sie eine perfide Methode an, um uns herabzusetzen. Sie kritisieren an uns, was sie sich selbst nicht zugestehen. Der tiefere Grund ihres »Gutseins« ist jedoch ihre Angst, dass andere Menschen negative Gefühle ihnen gegenüber entwickeln könnten. Sie wollen durch ihr »Nichtlästern« erreichen, dass andere nur positiv über sie denken und sprechen. Sich nicht auszutauschen, ist jedoch eine nahezu unmögliche Forderung, denn jeder hat seinen Mitmenschen gegenüber ambivalente Gefühle, mit denen er nicht immer alleine klarkommt.
     
Ob jemand lästert oder das
Lästern unterdrückt, ist einerlei.
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    Mit moralischen Vorwürfen dieser Art soll jemand ausgebremst und klein gemacht werden. Dr. Jürgen Stepien nennt das eine von vielen Versionen des Opfer-Täter-Spiels. In dem Beispiel über das Lästern machen die Gutmenschen sich zum Opfer und uns zum Täter. Beide Rollen sind aber nicht besonders angenehm.
Das

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