Nett ist die kleine Schwester von Scheiße
Tabakladen ersteht, um nicht mehr der Prostitution nachgehen zu müssen. Als Gegenleistung verspricht sie den Göttern, sich in Zukunft nur noch redlich und gut zu verhalten, was sich allerdings als schwierig herausstellt, da ihr selbstloses Engagement für die Armen und Vernachlässigten schnell ihre finanziellen Reserven aufbraucht und sie schließlich ruiniert. Um weiter als Shen Te helfen zu können, schlüpft sie daher in die Rolle eines imaginären Vetters Shui Ta, der es mit seiner Rücksichtslosigkeit zu einer florierenden Tabakfabrik bringt. Das Geld, das sie als rücksichtsloser Fabrikbesitzer verdient, verteilt sie als gute Nachbarin an Bedürftige.
Zu tun, was man tun sollte,
ist die Strategie des Opfers.
----
In Bertolt Brechts Stück gibt es keine Lösung dieses Dilemmas, das Ende hat er offen gelassen. Die wichtigste Lehre daraus ist jedoch, dass man sich von den Opfern (hier die Armen) nicht zum Täter (hier sowohl Shen Te als auch ihr imaginärer Vetter) machen lassen sollte. Stepien erklärt, wie das geht: »Opfer lieben Enttäuschungen. Sie können also einem Opfer nichts Schöneres schenken, als mal wieder seine Erwartungen richtig zu enttäuschen. Dann quellen vor Rührung die Tränen, und sie haben einen Grund, sich zu beklagen.
Einen Schöpfer dagegen erkennt man daran, dass er die Wahrheit und die Moral den Opfern lässt und den Betrug und die Lüge den Tätern.
Ein Schöpfer wählt die List, um durchs Leben zu kommen. Mit List arbeiten Sie zum Beispiel, wenn Sie sich nicht festlegen. Eine Frau, die von ihrem Mann gefragt wird, wann sie wiederkommt, und nicht antworten will, könnte zum Beispiel sagen: ›Bevor die Sonne aufgeht, bin ich wieder da.‹
List ist eine Haltung, um mit der Wirklichkeit zurechtzukommen, denn die Wirklichkeit ist nicht einfältig, sondern vielfältig. Daher meine Empfehlung: Werden Sie unklar! Unklare Antworten ermöglichen Ihnen einen größeren Handlungsspielraum und engen Sie nicht ein wie zum Beispiel ein widerwillig gegebenes Versprechen, pünktlich um 23 Uhr zu Hause zu sein.
Dass wir der Schöpfer unseres Leben sind und nicht dessen Opfer, drückt sich auch in der Sprache aus. Es gibt ein einfaches Mittel, um wieder die Kontrolle über unsere Angelegenheiten zu bekommen. Man muss anders über sie sprechen! Anstatt zu sagen: Ich werde mit meinem Haushalt nicht fertig, sagen Sie: Ich will nicht. Ich will nicht Fenster putzen, ich will meine Mutter nicht anrufen, ich will nicht freundlich sein, ich will keinen Sport machen, ich will nicht auf die Kinder meiner Freundin aufpassen. Schon sind Sie ein Schöpfer.«
Jürgen Stepien empfindet Gehorsam als eine der schlimmsten Untugenden, die es gibt: »Ein Schöpfer horcht in sich rein und fühlt, was er will, und gehorcht nicht. Manche Psychotherapeuten, werden reich damit, auf das Opfer in ihren Patienten zu hören. Zum Beispiel kam eine junge Frau zu mir, welche nicht gerne auf Partys geht. Auf Zusammenkünften mit mehr als einer Handvoll Menschen fühlte sie sich unwohl und befürchtete, dass das berufliche und soziale Nachteile für sie haben könnte. Ich könnte jetzt mit der Patientin über ihre Kindheit reden: Woher kommen diese Gefühle von Unwohlsein, warum kann sie nicht auf Partys gehen? Wie kann sie lernen, mit ihren Gefühlen umzugehen? Das machen andere Kollegen. Meiner Meinung nach braucht man nicht zu lernen, auf Partys zu gehen (Opfer-Strategie), man muss nur sagen: Ich will auf Partys gehen oder ich will nicht auf Partys gehen (Strategie des Schöpfers). Um ein Schöpfer zu werden, brauchen Sie nicht länger als eine Sitzung.«
Um sich sogar diese eine Sitzung zu sparen, müssen Sie nur weiterlesen. Werden Sie mit den folgenden Strategien ab sofort zum Schöpfer!
ACHT STRATEGIEN GEGEN
DIE SCHEINMORAL
Die Antihilfsbereitschaftsstrategie
Wer zu schnell hilft, verachtet im anderen den Schöpfer. Stets hilfsbereit und großzügig sein zu wollen, ist die Anmaßung und Überheblichkeit der Guten.
Ruth Rendell beschreibt in ihrem Thriller Urteil in Stein (verfilmt mit Isabelle Huppert), dass Menschen diejenigen hassen, die zu viel helfen. Sie schildert das Schicksal einer gutbürgerlichen Familie, welche mit ihrem Verständnis und guten Willen eine analphabetische Haushaltshilfe bedrängt und das mit ihrem Leben bezahlt.
Sie sollten mit Ihrer Hilfsbereitschaft niemandem zu nahe treten, im Gegenteil: Es muss schwierig sein, von Ihnen etwas zu bekommen. Sie leihen Freunden kein Geld,
Weitere Kostenlose Bücher