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Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Titel: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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hat – denn einen solchen zum Plaudern zu bringen ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen beim Flirten.
erstes Gesetz
    Riskieren Sie es, jemanden,
der Ihnen wichtig ist, zu verlieren –
und gewinnen Sie ihn damit!
    Wie die Kaiserin Cíxi gehen Rimbaud und Verlaine bei ihren Auftritten ein hohes Risiko ein. Und ein Risiko zu wagen ist, wie bereits erwähnt, der wichtigste Aspekt der sexuellen Anziehung.
    Pickup Artists nennen dies das Gesetz des »Risk of loosing you«, das heißt, ich benehme mich so, wie es meinem Gegenüber eigentlich missfallen müsste, und bin gerade deswegen attraktiv. Selbstverständlich muss ich dafür in irgendeiner Weise von meinem Gegenüber abhängig sein, sonst wäre es ja kein Risiko. So wie Paul Verlaine, denn er war auf diejenigen, die er beschimpfte durchaus angewiesen: Auf den Pariser Partys waren schließlich auch seine Verleger, Förderer, Gönner und Leser. Statt seinen Gönnern die eigene Abhängigkeit aufzubürden, indem er versuchte, ihnen um jeden Preis zu gefallen, schaffte Verlaine durch sein unmögliches Benehmen eine inspirierende Atmosphäre, in der sich jeder Gast frei fühlen konnte. Zum Beispiel so frei, Verlaine trotzdem zu mögen.
Zweites Gesetz
    Bei Beschimpfungen ist es wie mit Komplimenten – je dicker sie aufgetragen sind, desto besser wirken sie
    Arthur und Paul haben auch nicht krampfhaft nach Gesprächsthemen gesucht, die die meisten Gäste schon Dutzende Male erörtert haben, sondern sie haben Dinge angesprochen, über die alle Menschen unbedingt reden möchten: nämlich Themen, über die man eigentlich nicht spricht. Gerade das Verbotene erzeugt aber Spannungen, aus denen sich gegebenenfalls Nutzen ziehen lässt: Spannungen reißen heraus aus Gewohnheit und Alltag, treiben den Kreislauf an, muntern auf und machen einen offen für einen näheren Kontakt mit dem Gesprächspartner – und sei es im Rahmen einer Schlägerei. Die Wirkung ist dann am stärksten, wenn die Tabuthemen mit der Person des Gesprächspartners verknüpft werden, so wie Rimbaud und Verlaine es getan haben. Man kann sein Gegenüber also mit Indiskretionen, Beschimpfungen, Unterstellungen, anzüglichen Angeboten und anderen Taktlosigkeiten unterhalten. Die übliche Frage meiner Seminarteilnehmer – »Was ist, wenn das den anderen nicht interessiert?« – erübrigt sich bei solch einer Themenwahl, denn welcher Mensch interessiert sich nicht für sich selbst?
Drittes Gesetz
    Kontraste bilden heißt: Schaffen Sie Erwartungen – und zerstören Sie
sie dann wieder
    Das dritte Gesetz, welches Rimbaud und Verlaine befolgten, ist ebenso simpel wie effektvoll: Um eine faszinierende Ausstrahlung zu erzeugen, muss man Kontraste bilden können. Leider wird dieser Verführungstrick hierzulande viel zu wenig angewandt, deswegen sind Filmpartys, Geschäftseröffnungen, Vernissagen, Premieren und andere festliche Zusammenkünfte in Deutschland so selten glamourös.
    Einen Kontrast bilde ich zum Beispiel, wenn ich bei einem feinen Diner exzessiv trinke, mich übergebe und anschließend nach Hause gehe und die allerschönsten Gedichte schreibe. Solch einen Kontrast zu bilden, ist natürlich nicht jedem gegeben, aber es gibt viele andere Möglichkeiten, zwischen seiner äußeren Erscheinung und seinem Auftreten eine irritierende Diskrepanz zu erzeugen.
    In unserer Gesellschaft wird viel Wert auf Stimmigkeit gelegt, auf Authentizität. Kleidung soll die eigene Persönlichkeit unterstreichen – oder überhaupt erst erschaffen. Wer eine eher schwache Persönlichkeit hat, ist auf diese Äußerlichkeiten angewiesen. Das bedeutet zum Beispiel, dass derjenige, der als fein und kultiviert gelten möchte, sich in Schale werfen muss, ein Schriftsteller ein Schriftsteller-Outfit benötigt, eine Schauspielerin auf dem roten Teppich ein schickes Kleid trägt oder ein Architekt in Tweedhosen und schwarzem Rollkragenpulli erscheint usw.
    Mit diesen Vorgaben lässt sich trefflich spielen. Denn durch die Kleidung und das Styling können Erwartungen geschaffen – und diese dann wieder zerstört werden. Dies geschieht etwa, wenn jemand, der ein teures Kostüm trägt und perfekt frisiert ist, sich sehr burschikos gibt oder wenn jemand vollendete Manieren zeigt, aber Jeans und T-Shirt anhat. Wer als Schriftsteller eingeladen wird, sollte niemals über Literatur reden, sondern über Sex oder Geld, wer bei einem Kindergeburtstag anwesend ist, sollte Vorträge darüber halten, wie schrecklich Kinder

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