Nett ist die kleine Schwester von Scheiße
Helmut Bergers strikte Weigerung, aufzustehen, die anwesenden Damen ungemein.
Was auf den ersten Blick schrecklich ist – ein verdreckter Smoking und die fürchterliche Blamage –, zeigt erst auf den zweiten Blick seine wirkliche Qualität. Denn glamourös sind nicht die Partys, bei denen am nächsten Morgen nicht mehr erkennbar ist, dass überhaupt jemand da war, und sich die Spuren der Gäste durch Tischabwischen und Teppichsaugen beseitigen lassen. Und ehrlich: Auf welcher Party wären Sie lieber – auf der mit Helmut Berger oder auf einer Party der Jungliberalen?
Rasten Sie aus, übergeben Sie sich,
ruinieren Sie die Möbel Ihrer Gastgeber –
und spüren Sie Ihre Freiheit.
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Auch wenn es einem vielleicht nicht liegt, auf jeder Party der Krawallmacher zu sein, so sollte jeder doch mindestens einmal in seinem Leben die Grenzen des Möglichen und Erlaubten weit überschreiten, um die Erfahrung zu machen, dass er danach durchaus noch unter die Leute gehen kann. Es ist erstaunlich, wie viel einem verziehen wird. Selbst Helmut Berger war nach der Episode auf dem Rot-Kreuz-Ball nach wie vor ein gern gesehener Gast bei anderen High-Society-Partys. Wer aber einmal eine Peinlichkeit von diesem Ausmaß überlebt hat, dem kann sicher nichts mehr passieren, denn sind die Erwartungen der anderen erst einmal zerstört, schenkt einem das eine wunderbare Freiheit im Umgang mit Menschen aller Klassen und Rassen, um die einen viele beneiden werden. Außerdem gibt es dann auf der nächsten Party etwas, das man seinem Flirtpartner erzählen kann, um ihn zum Lachen zu bringen.
Die Angst, im Umgang mit anderen etwas falsch zu machen, quält viele Leute. Sie fürchten, dass sie die Sympathie ihrer Mitmenschen verlieren, wenn sie etwas sagen oder tun, was diesen missfällt. Mit Erstaunen registrieren sie dann aber, dass es durchaus Frauen und Männer gibt, die genau das tun, was man auf keinen Fall machen sollte, und dennoch Erfolg haben. Das Spiel mit der Erotik ist eben widersprüchlich. Menschen wünschen sich vielleicht rational das eine, aber gefallen tut ihnen das andere – das wird in vielen Büchern und Filmen thematisiert, zum Beispiel in Woody Allens Film Verbrechen und andere Kleinigkeiten . In diesem Film verliebt sich die Regieassistentin Helen (Mia Farrow) nicht in den intelligenten, tiefsinnigen und liebenswürdigen Filmemacher Lester (Woody Allen), sondern in ihren Chef, den Fernsehproduzenten Cliff, einen entsetzlichen Snob und Angeber. Dabei haben Helen und Lester nicht nur ähnliche Interessen und Ansichten über das Leben, sondern sind sich sogar einig in ihrer Abneigung gegen Männer wie Cliff. Sie verbringen ganze Nachmittage damit, seine selbstgefällige und oberflächliche Persönlichkeit zu analysieren, seine Frauenfeindlichkeit im Allgemeinen und die herablassende Art, mit der er Helen behandelt, im Besonderen zu kritisieren. Und trotzdem zieht Helen schlussendlich ihren Chef vor, und irgendwie ist das auch verständlich.
Ein Mann, der einer Frau gefallen soll, muss etwas an sich haben, das sie »reizt«. Wohlgefälligkeit und Anständigkeit locken einem Mann nur Frauen in die Arme, die schon viel Schlimmes erlebt haben.
Mein Vater regte sich einmal über einen jungen Mann auf, weil dieser an einem Samstagnachmittag mit seiner Mutter Kuchen backen und anschließend mit ihr ins Kino gehen wollte. Der Mann war geschieden und hatte seit vier Jahren keine neue Freundin gefunden. Mein Vater ließ sich darüber aus, dass er sicherlich ein guter Sohn, aber kein echter Kerl sei: »In seiner Lage würde ich keinen Kuchen backen, sondern die Leopoldstraße auf und ab gehen, bis ich mir eine Frau geschnappt habe!« Aber das lag dem jungen Mann eben nicht, denn seiner Meinung nach schnappte man sich eine Frau nicht, sondern lernte sie durch intensive Gespräche kennen – nur gab es offenbar keine Frau, die mit ihm die Nächte durchdiskutieren wollte.
Auch Frauen machen Kapitalfehler: Dietlind Tornieporth beschreibt in Die perfekte Verführerin die emanzipierte Frau von heute, die eigenständig und unabhängig ist und immer alles im Griff hat, dann aber auch beim ersten Date unbedingt die Gestaltung des Abends übernehmen möchte, Kino- oder Konzertkarten besorgt, mit der U-Bahn oder mit dem Taxi kommt, um ihrem Verehrer keine unnötige Mühe zu machen, das Essen im Restaurant bezahlt und das Gespräch in Gang hält – nur um sich hinterher zu beklagen, dass die Männer von heute keine
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