Nett ist die kleine Schwester von Scheiße
nicht so, wie er es beim Treffen im Café behauptet hat.
Die Frau beschließt, das Desinteresse des Mannes nicht persönlich zu nehmen – schließlich kennt er ihre Qualitäten ja noch nicht. Sie braucht nur eine Chance, um ihm zu zeigen, wie wundervoll sie ist. Also ruft sie ein weiteres Mal an. Bevor sie die Nummer wählt, hat sie die Sätze, die sie sagen will, laut vor sich hingesprochen und dazu gelächelt: Sie möchte einen fröhlichen, energievollen Eindruck auf den Mann machen, sonst braucht sie erst gar nicht anzurufen. Nur kein Vorwurf, schließlich schuldet er ihr nichts. Auch dieses Mal nur der Anrufbeantworter – und die Frau wiederholt ihre Bitte um Rückruf.
Wieder ruft der Mann nicht zurück. Vielleicht hat er ja zu viel zu tun, entschuldigt ihn die Frau. Ihr mangelndes Selbstbewusstsein flüstert ihr ein, dass sie wohl sowieso keine Chance bei ihm hätte. Doch die Frau schluckt ihren Frust herunter, denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Sie wählt erneut die Nummer, und diesmal hebt der Mann mit einem knappen »Hallo« ab.
»Hallo, freut mich, dass ich Sie erwische, wir haben uns vor zwei Wochen im Café getroffen.«
»Ach ja. Tut mir leid, ich kann gerade schlecht telefonieren, ich bin in einer Besprechung, aber ich melde mich bei Ihnen.«
Doch der Mann ruft wieder nicht zurück. Die Frau wird wütend und traurig, sie versucht sich jedoch zu beruhigen – theoretisch ist noch alles möglich. Sie beschließt also, es ein letztes Mal zu versuchen. Als Vorwand dient ihr eine Sache, die sie ihm unbedingt noch sagen wollte, da sie es im Café damals nicht erwähnt hat.
Als sie den Mann auf seinem Mobiltelefon anruft, antwortet zu ihrer Überraschung eine weibliche Stimme: Der Mann sei gerade nicht da, doch sie werde selbstverständlich ausrichten, dass sie angerufen habe …
Diese Geschichte könnte noch endlos weitergehen, sie beschreibt nämlich das übliche Verhalten – nein, nicht bei einem Date, sondern bei der Jobsuche. »Frau« ist hier durch Bewerber oder Bewerberin zu ersetzen und »Mann« durch Firma oder Agentur. Der demütigende Vorgang heißt Akquise. Dass es ganz normal ist, dass potenzielle Arbeitgeber nicht zurückrufen, dass eingesandte Bewerbungsunterlagen weder angeschaut noch zurückgesandt werden und die wenigsten Personaler ihren Vorstellungskandidaten bei Nichtinteresse absagen, macht das Ganze nicht besser.
Verlagern Sie als Test dafür, ob Ihr Bewerbungsprozedere bereits demütigend ist, Ihre Jobsuche auf die Beziehungsebene. Und beantworten Sie sich die Frage, wie oft Sie anrufen würden, wenn der Job ein Mann oder eine Frau wäre. Wie interessant und attraktiv muss der Job sein, damit Sie für ihn eine Ausnahme machen und ihm ein ganz kleines bisschen hinterherlaufen?
Hier daher ein kleiner Test, mit dem Sie prüfen können, ob Sie dazu neigen, bei Bewerbungsgesprächen einen verzweifelten Eindruck zu machen:
Der große Bewerbungstest
Beantworten Sie folgende Fragen, und stellen Sie sich dabei vor, es ginge darum, wie weit Sie für richtig guten Sex gehen würden ...
Verändern Sie Ihren Kleidungsstil, wenn Sie sich mit ihm oder ihr treffen? Orientieren Sie sich dabei an dem, was Ihnen gefällt oder was ihm oder ihr gefallen könnte?
Wie sehr würden Sie sich vor Ihrem potenziellen Sexpartner verstellen? Würden Sie zum Beispiel verschweigen, dass Sie gerade keinen Partner haben, vielleicht gar schon länger als ein halbes Jahr Single sind?
Wann rufen Sie nach dem ersten Treffen wieder an? Gleich am nächsten Tag, zwei oder drei Tage später? Und wie oft würden Sie versuchen, jemanden telefonisch zu erreichen, der nicht zurückruft? Höchstens zweimal? Fünfmal oder gar noch öfter?
Wie würden Sie sich und Ihre Qualitäten in einem ersten Gespräch anpreisen? Würden Sie alles aufzählen, was Sie schon gemacht und erreicht haben, oder davon ausgehen, dass Sie auch ohne das wirken?
Würden Sie auf jede Frage antworten, die Ihnen Ihr potenzieller Sexpartner stellt, auch wenn sie übergriffig oder unpassend ist?
Bemühen Sie sich um einen Menschen, auch wenn Sie ihn gar nicht so attraktiv finden, nur weil Sie lange keine Beziehung und/oder Sex hatten?
Wie reagieren Sie, wenn Freunde Ihnen Partner vorschlagen, die weit unter Ihrem Niveau liegen, aber mit dem Argument »besser als nichts« angepriesen werden?
Wie umfangreich und teuer fallen Ihre Mitbringsel wie Blumensträuße, Schokolade oder
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