Nett ist die kleine Schwester von Scheiße
Ähnliches aus? Was tun Sie, wenn auf diese Geschenke nicht reagiert wird?
Sie haben im Internet auf eine Kontaktanzeige geantwortet, und Ihr Mailpartner fordert immer mehr Angaben und Fotos, bevor er sich dazu entschließen kann, sich mit Ihnen zu treffen – wie viel geben Sie quasi als Vorleistung von sich preis?
... und jetzt übertragen Sie Ihre Antworten mal auf eine Bewerbungssituation!
Wer glaubt, Jobsuche und Sex wären nicht vergleichbar, der irrt. Diese beiden Dinge haben sogar sehr viel miteinander gemeinsam. Eine glückliche Beziehung und tollen Sex wünschen sich die meisten Menschen. Für viele ist Liebe sogar das Wichtigste in ihrem Leben – noch viel wichtiger als ein Job. Trotzdem bewahren sie sich bei der Partnersuche ihren Stolz und ihre Würde. Und genau dasselbe sollten Sie auch bei der Arbeitssuche tun.
Sie wollen viel –
aber Sie bitten nicht darum!
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Es ist zum Beispiel völlig unangemessen und daher unzumutbar, sich für einen Aushilfsjob stundenlang prüfen zu lassen oder wegen einer einfachen Bürotätigkeit mit einem Dutzend Mitbewerber eine ganztägige Testrunde zu absolvieren. Sie sollten sich weigern, Fragebögen auszufüllen, wieder und wieder Zeugnisse und Unterlagen nachzureichen und sich Lippenbekenntnisse abnötigen zu lassen, dass man aus Freude an der Arbeit hier sei und sich schon seit Kindesbeinen an für das betreffende Unternehmen interessiert habe.
Wenn uns keiner will,
dann beziehen wir eben Hartz IV
(= bleiben wir eben Single).
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Leider wird in Bewerbungsratgebern und -seminaren meist dazu geraten, sich für das begehrte Objekt Arbeit zum Bittsteller zu machen, forscher oder auch weniger forsch aufzutreten, als jemand es üblicherweise täte, Begeisterung zu heucheln, wo er keine empfindet, und vor allen Dingen sich von Menschen beurteilen zu lassen, die einen nicht beurteilen können, weil sie einen nicht kennen. Begründet wird das mit dem Mangel an Arbeitsplätzen. Soft Skills wie Flexibilität und Teamgeist erscheinen plötzlich selbst für Berufe wichtig, in denen diese Eigenschaften niemals nötig sind und auch niemals nötig sein werden, wie etwa Busfahrer oder Eisverkäufer. Das wäre ebenso, wie wenn man einer Frau in den 1950er-Jahren geraten hätte, sich mit einem völligen Idioten zusammenzutun und sich für ihn auch noch besonders hübsch zu machen und sich Mühe zu geben – denn schließlich herrsche ja Männermangel.
Jeder muss selbst definieren, wo für ihn das Bemühen um einen Job endet und die Erniedrigung anfängt. Als Hilfestellung empfiehlt es sich, sich bewusst zu machen, wie weit man für die Eroberung seiner Traumfrau oder seines Traummanns gehen würde. Und genauso weit geht man auch für einen Job. Nicht weiter.
Gutes Benehmen wird umso mehr gefordert,
je unattraktiver der angebotene Job ist.
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Wie sieht Ihr Traumjob überhaupt aus, und was bedeutet Erfolg für Sie? Wollen Sie möglichst viel Geld verdienen und nehmen dafür auch Drangsalierungen à la Mc Kinsey in Kauf, lassen also zum Beispiel den Sitz von Haaren und Socken militärisch genau kontrollieren und sich Vorschriften darüber machen, welche Unterhose Sie tragen sollen? Sind Sie bereit, auf Freizeit – und damit auch Freiheit – zu verzichten, nur um irgendwann einmal ganz oben zu stehen?
Oder träumen Sie eher von einem Halbtagsjob mit viel Zeit zur freien Verfügung. Ist Ihnen Zufriedenheit wichtiger oder Prestige, die Sicherheit eines Beamten oder die Anerkennung als Künstler? Was muss der Job Ihnen bieten, damit Sie ihn nehmen?
Eines dürfen Sie jedoch wirklich niemals tun: eine Arbeit annehmen, die Ihnen gar nichts zu bieten hat.
Wenn schon schlechtes Arbeitsklima,
dann wenigstens auf hohem Niveau.
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Absolut inakzeptabel ist eine Arbeit, bei der die Kriterien für das eigene Auftreten sehr streng sind, der Arbeitnehmer aber behandelt wird wie ein Leibeigener und unbezahlte Überstunden machen muss, und die Löhne nur knapp über dem Hartz-IV-Satz liegen.
Leider stellen sich immer noch viel zu viele Menschen in Deutschland aus der Not heraus für solche Stellen zur Verfügung und zementieren damit Arbeitsverhältnisse, die sich von denen in der Anfangszeit der Industrialisierung kaum unterscheiden.
Günter Wallraff erlebte in seiner letzten Undercoveraktion als Niedriglöhner in einer Backfabrik, wie Menschen wie Sklaven behandelt werden – und das für sechs Euro die Stunde. In Wirklichkeit werden diese
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