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Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Titel: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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Anstellung als Journalistin vorweisen konnte, wurde ich aufgefordert, mir einen Job als Putzfrau oder Kellnerin zu suchen. Am schnellsten bekamen ihre Bescheinigungen und Auszahlungsscheine immer diejenigen, die in schmutzigen Trainingshosen und zerschlissenen T-Shirts auf dem Gang saßen, nach Alkohol rochen oder Vorbeigehende anpöbelten. Erst nach einigen Terminen begriff ich, dass ich umso mehr drangsaliert wurde, je braver und beflissener ich auftrat – bei den anderen war anscheinend sowieso Hopfen und Malz verloren, also wollte man gerne mit mir die Statistik aufbessern.
    Das mit dem Drangsalieren hörte erst auf, als ich ungekämmt und in ungewaschener Kleidung erschien und jedes Mal einen Weinkrampf vortäuschte, sobald ich an der Reihe war. Von dem Zeitpunkt an wurde ich in Ruhe gelassen und konnte mich um meine Bewerbungsmappe kümmern.
     
Wer sich gut benimmt, wird gedemütigt.
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    Strafen der Arbeitsagentur für
eifriges und strebsames Auftreten
    In Mecklenburg-Vorpommern wurden vor einigen Jahren arbeitslose Akademiker mithilfe von Kieselsteinen, die sie aufheben sollten, für die bevorstehende Erdbeerernte geschult. Der Bund der Steuerzahler erwähnt in einem seiner Schwarzbücher ein Bewerbungstraining, bei dem die Teilnehmer zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins Blechdosen an Schnüren hinter sich herziehen und damit über den Berliner Alexanderplatz laufen sollten. Außerdem mussten sie Passanten ansprechen und deren Nase anfassen. Kosten der Maßnahme pro Teilnehmer: 10 000 Euro. Der Zusammenhang zwischen der Übung und dem heißersehnten Arbeitsplatz ist schwer erkennbar. Wer aber bezweifelt, dass sich durch solche Aktionen seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen, dessen Motivation wird ungünstig beurteilt, was zur Kürzung des Arbeitslosengeldes führen kann.
    Wer unverschuldet arbeitslos wird, sollte sich am besten unverzüglich eine Krankschreibung besorgen, um solchen Maßnahmen zu entgehen. Denn zum einen ist es für einen erwachsenen Menschen unwürdig, so behandelt zu werden, zum anderen kommt dies den Steuerzahler billiger.
dritte Regel
    Beantworten Sie keine komischen Testfragen
    Durch die Unternehmenswelt geistern immer neue Methoden, um potenzielle Bewerber auf ihre Güte zu testen. Letztes Jahr waren Fragen wie diese in Mode: Wie viele Smarties passen in einen Smart? Oder: Wie schwer ist Manhattan?
    Zunächst wollte ich nicht glauben, dass sich irgendein Bewerber dazu bereiterklären könnte, diese Rechenaufgaben lösen zu wollen. Dann entdeckte ich einen Artikel dazu in der Süddeutschen Zeitung . Meine Erwartung, dass endlich einmal jemand einen kritischen Artikel über diese Art von Bewerbungsgesprächen schreiben würde, wurde bald enttäuscht, denn der Autor machte sich tatsächlich Gedanken darüber, wie solche Fragen korrekt beantwortet werden könnten.
    Jedem, dem ich begreiflich zu machen versuchte, dass bei der Frage, wie viele Smarties in einen Smart passen, für mich die Demütigung anfängt, belehrte mich dahingehend, dass dies nur ein Test sei, um die Fähigkeit des Bewerbers einzuschätzen, quantitative Abschätzungen vorzunehmen. Natürlich war mir das auch klar, und selbstverständlich hätte ich irgendwie auch ausrechnen können, wie viel Schokolade in das doofe Auto passt, aber ich konnte einfach nicht begreifen, warum jemand sich von einem anderen Menschen derart vorführen lassen sollte.
    Ich lasse mich nicht vorführen – auch wenn es zum gängigen Benimmkanon eines Bewerbers gehört. Auch Fragen, deren erwartete Antwort ich schon kenne, wie zum Beispiel, ob ich teamfähig bin, halte ich für überflüssig und beantworte ich daher nicht.
     
»Brainteaser sind ein beliebtes
Testverfahren im Bewerbungsgespräch.
Die herausfordernden Gedankenspiele
sind ein gutes Training und machen
außerdem Spaß. Jog your mind!«
Zitat von einer Internetseite eines
Coachinganbieters
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    Als ich mich bei einer bekannten PR-Agentur in Hamburg als Redakteurin bewarb, hatte der Chef leider keine Zeit für mich. Wir sprachen kurz fünf Minuten im Gang miteinander, dann bat er mich, in der nächsten Woche wiederzukommen. Eine Woche später fuhr ich also wieder von Berlin nach Hamburg und wurde von seinem Assistenten mit den Worten empfangen: »Hannes lässt Sie grüßen, er musste leider zu einem Shooting.« Der Assistent wirkte unsicher, offenbar führte er selten Einstellungsgespräche, schon gar nicht mit Redakteuren. Als Erstes verließ er das Büro, um Kaffee zu

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