Nett ist die kleine Schwester von Scheiße
einzigen deutschen Mitarbeiter, der bei seinen türkischen Kollegen sehr beliebt ist, obwohl er sich ständig und für alle Kunden hörbar über die Türken beschwert. Die Stimmung im Laden ist super – Herbert schimpft, seine türkischen Kollegen lachen. Natürlich wird er umgekehrt auch von ihnen aufgezogen wegen seiner typisch deutschen, oftmals penetranten Art.
Nehmen Sie sich vor Leuten in Acht, die auf Ausdrücke wie Schlitzaugen, Negermusik oder Tunte empfindlich reagieren, denn die schleppen oft die meisten Ressentiments mit sich herum.
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Nebenbei sind politisch unkorrekte Kollegen auch viel unterhaltsamer. Mit wem gehen Sie lieber mittagessen – mit der Chefsekretärin, die jede ihrer Äußerungen genau abwägt, oder mit dem Assistenten, der den Chef so gut nachmachen kann?
KARRIERE MACHEN MIT SCHLECHTEM BENEHMEN
»Schlecht zu sein, ist gut.
Gut zu sein, ist langweilig.«
Großmutter von Malcolm McLaren, dem Erfinder und Manager der Sex Pistols
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Es gibt eigentlich nur zwei Wege, um Karriere zu machen: Entweder man ist ein Meister in Anpassung und Disziplin – oder man verweigert sich sämtlichen Regeln. Etwas dazwischen gibt es nicht.
Als Malcolm McLaren John Lydon Mitte der 1970er-Jahre zum ersten Mal sah, waren er und seine Frau Vivienne Westwood fasziniert von dessen magischer Aura. Ein schmaler Junge in zerrissenen Klamotten, die von Sicherheitsnadeln zusammengehalten wurden, auf sein T-Shirt hatte er die Worte »I hate« gekritzelt. McLaren machte aus John Lydon dann die Kunstfigur Johnny Rotten, stellte ihm drei untalentierte Jungs zur Seite und revolutionierte so die Popkultur.
McLaren war der Erfinder der Sex Pistols, der bekanntesten englischen Punk-Band, schon ihre Debütsingle »Anarchy In The U. K.«, in denen die Songzeilen »I am an antichrist, I am an anarchist« vorkommen, löste einen Skandal von kulturhistorischer Bedeutung aus: Der britische Punk war geboren.
»Anarchisch, schrill, ekelerregend«, so beschrieb McLaren das, was die Sex Pistols produzierten, »der richtige Soundtrack zu meiner Mission.«
Nicht nur die Musik war schrecklich, auch die abgerissene Kleidung der Band, ihr respektloser Ton, ihr schockierendes Auftreten: Die legendären Publikumsbeschimpfungen von beispielloser Obszönität machten die Sex Pistols erst richtig berühmt. Außerdem verweigerten sie auf Konzerten jede Zugabe, jedes Autogramm, überhaupt alles, was die Fans von ihnen erwarteten. Es gab gar keine wirkliche Mission, nur die radikale Verachtung der Gesellschaft. 1977 erschien der Hit »God save the Queen, a fascist regime« rechtzeitig zum 25-jährigen Thronjubiläum der englischen Königin – ein Tabubruch. Heute ist die dazugehörige Cover-Collage der Königin mit überklebter Mund- und Augenpartie ein Klassiker. Angeblich soll der Song die Nummer eins der englischen Charts gewesen sein, aber auf den offiziellen Listen aus Loyalität zum englischen Königshaus nur auf Platz zwei geführt worden sein.
Auftrittsverbote, in letzter Minute eingestampfte Platten, Prügel von Royalisten nach Sprengung der Geburtstagsfeier der Königin durch ein illegales Konzert: Die Sex Pistols machten sich zu einem Gesamtkunstwerk, welches auf alle Kunstgattungen ausstrahlte. Punk ist eine Haltung, eine sich den Konventionen verweigernde Lebenseinstellung. Ohne Punk wäre kein britischer Künstler der 1980er- und 90er-Jahre vorstellbar, wie etwa die englische Kultband The Cure oder die Künstler Damien Hirst und die Chapman-Brüder.
Am 13. März 2006 wurden die Sex Pistols, die sich immer gegen das Etikett »Punk« gewehrt hatten, gegen ihren Willen in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Selbstverständlich nahm keines der Bandmitglieder an der Zeremonie teil, denn sie waren immer noch das, was sie von Anfang an gewesen waren: Idealisten.
Heute ist Verweigerung und ironische Distanz à la Sex Pistols fast schon zum Mainstream geworden, besonders gut abzulesen beispielsweise in der Ästhetik des Fußballclubs St. Pauli. Scheitern ist Kult geworden, ironisch verwendete Hasssymbole wie Totenkopf und germanische Runen sind Modeaccessoires. Punk wird in Astra- und Nike-Werbung zitiert, und zerrissene Jeans gibt es schon lange für teures Geld in Designer-Läden zu kaufen.
Die Karriere der Sex Pistols ist also beispielhaft, denn an ihr lassen sich alle Komponenten ablesen, die zu einer Mythenbildung – auch wichtig im Bereich Karriere – beitragen.
Ein Erneuerer
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