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Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Titel: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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einmal abkönnen.«
     
    Der Regelbruch ist daher eines seiner wichtigsten Trainingsziele. Einem Geschäftsführer eines großen deutschen Versicherers hat er zum Beispiel geraten, für seine Korrespondenz und den Internetauftritt Plagiate von berühmten Schriftstellern zu verfassen (und dies noch vor Helene Hegemann und dem Buch Axolotl Roadkill ). Das verstieß eindeutig gegen die bürgerlichen Moralvorstellungen seines Schützlings, doch davon sollte sich dieser befreien und lieber die geistige Gleichberechtigung mit den Meistern, den Göttern der Literatur, anstreben. »Holen Sie aus zum Befreiungsschlag gegenüber unseren neuen Götzen, fahren Sie nach Italien, verschicken Sie Briefe mit den Reiseeindrücken im Stile Thomas Manns, aber geben Sie diese als die Ihren aus. Danach wissen Sie, dass Sie auch anderes geistiges Eigentum für sich in Anspruch nehmen dürfen – und die Lorbeeren, die sie dafür ernten, genießen dürfen.«
    Lob einheimsen für etwas, das man gar nicht geleistet hat, wird jedem normalerweise von Kindheit an aberzogen. Daher sind die Menschen im Vorteil, denen dieses Vergehen leicht fällt. Übrigens: Wer geistigen Diebstahl übt, lernt schlicht und einfach, sich inspirieren zu lassen.
Sich jeder Beurteilung entziehen
     
    2001 wurde in Deutschland der Musiksender MTV durch Viva vom ersten auf den zweiten Platz der Einschaltquoten verdrängt. Die Geschäftsführerin berief daraufhin eine Mitarbeiterversammlung ein und hielt eine flammende Rede, in der sie jeden Einzelnen aufforderte, sich anzustrengen, damit MTV wieder zur Nummer eins werden würde. Plötzlich unterbrach sie der Kreativchef: »Reg dich ab. Nummer eins werden zu wollen, ist total uncool.« Kurze Zeit später stand MTV wieder auf Platz eins.
     
    Die Erkenntnis, dass man uncool wirkt, wenn man sich von anderen in Bezug auf seine Leistung oder Erscheinung beurteilen lässt, hat sich leider bei der Bevölkerung noch nicht genug herumgesprochen. In Scharen bewerben sich Teenager bei Fernsehshows wie Deutschland sucht den Superstar oder Germany’s Next Topmodel , lassen sich demütigen, vorführen und lächerlich machen. Doch sie empfinden das nicht so, glauben vielmehr, ihrem Traumziel ganz nahe zu sein – und genau diese Diskrepanz macht diese Sendungen so unerträglich.
    Die Kandidaten wären gerne etwas Besonderes, wollen um jeden Preis cool sein, unterwerfen sich dafür aber der Beurteilung anderer. Sie lassen sich an den Kriterien von etablierten und alternden Akteuren der Unterhaltungsbranche messen, die sie eigentlich ablösen sollten.
    Dieter Bohlen ätzte über Lady Gaga, dass die mit ihrer Figur sicher keine Traumfrau sei, doch hat sie allein in den letzten Jahren mehr Auszeichnungen abgeräumt als er in seinem ganzen Leben. Von einem solchen Mann sollte sich kein ernsthaft ambitionierter Musiker oder Sänger beeinflussen oder gar vom Weg abbringen lassen.
    Wer selbst künstlerische oder andere Maßstäbe setzen will, muss sich emanzipieren. Sollte jemals einer der Teilnehmer der erwähnten Castingshows ein ernst zu nehmender Star werden, wird er sich später sicherlich dafür schämen, dass er sich einmal hat vorschreiben lassen, wie er zu gehen, zu lächeln, zu singen oder zu tanzen hat.
     
    Die Losung für Leute, die Neues schaffen wollen, lautet: Befolgen Sie keine Regeln, stellen Sie welche auf. Sie lassen sich von anderen nicht sagen, was und vor allen Dingen, wie Sie etwas tun sollen. Ob und wann Sie sich anstrengen, entscheiden Sie selbst.
Etwas Besonderes sein wollen
     
»Erfolg ist so ziemlich das Letzte,
was einem vergeben wird.«
Truman Capote
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    Etwas Besonderes zu tun wie die Schriftstellerin Hegemann oder die Sängerin Lady Gaga bedeutet immer, sich mehr zu nehmen, als einem zusteht, und zwar vom kostbarsten Gut, das es für Menschen gibt: Aufmerksamkeit.
    Im Mittelpunkt stehen zu wollen, wird in Deutschland eindeutig als schlechtes Benehmen gewertet, in anderen Ländern ist das anders. »Du willst nur im Mittelpunkt stehen«, ist ein oft ausgesprochener Vorwurf von Kindergärtnerinnen, Lehrern oder Eltern – aber so werden nicht die Talente gefördert, die jemand braucht, um später einmal ein Star zu sein und Glamour zu verbreiten.
    Wer in der Öffentlichkeit steht, hat somit schon den ersten Fehler gemacht, nun darf er sich keinen zweiten oder dritten mehr leisten. Denn dann wird er demontiert. Besonders Schauspieler bekommen das oft zu spüren, wenn jeder berufliche oder persönliche

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