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Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Titel: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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Beispiel Brigitte.«
    »Das sieht nur in deinen Augen so aus.« Irgendwie ärgert mich das, was Nadine sagt, die Stimmung ist auf jeden Fall dahin. Schweigend isst sie ihr Eis.
    »Und die 8000 Euro, hast du die schon kassiert?«, fragt jetzt die Lederjacke. Der Lange antwortet: »Das mache ich noch.«
    Als Nadines Telefon klingelt, wendet sie sich von mir ab, sagt etwas und schreibt etwas in ihren Terminkalender.
    Der Lange steht jetzt auf, die anderen Männer nicken ihm zum Abschied zu. Ich möchte gar nicht wissen, wo er hingeht. Vorsichtig linse ich zum Nachbartisch herüber und tue dabei so, als ob ich die Sendung auf den vielen Fernsehbildschirmen über der Theke verfolgen würde. Die drei Männer sprechen nicht mehr miteinander, rühren nur in ihren Plastiktassen. Das Lebenskonzept dieser Männer soll also ungefähr so viel wert sein wie meines? Nadines These besagt, wenn ich sie richtig verstanden habe, dass die Unterschiede zwischen unseren Egos marginal sind und dass wir uns auf diese lächerlichen Unterschiede etwas einbilden. Wir kommen uns schöner, besser, gebildeter, wahrhaftiger, klüger und netter vor als andere, aber aus der Sicht eines Zen-Meister ist das wohl anders: Für ihn ist kein Mensch besser oder schlechter als der andere.
    Der Mann in der Lederjacke steht auf und nimmt sein restliches Geld vom Tisch. Das Bündel ist nach der Verteilaktion immer noch so dick wie ein Taschenbuch.
     
Wer andere provoziert, hilft ihnen,
sich kennenzulernen.
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    »Wir erleben viele unglückliche Momente, weil wir uns den Rahmenbedingungen anpassen. Wir unterdrücken unsere Bedürfnisse, und wir unterdrücken unsere Wahrheit – weil wir akzeptiert werden wollen. Wir spielen unsere vorgeschriebenen Rollen bis zum bitteren Ende und werden unglücklich, weil sie nicht wirklich zu uns passen«, erklärt Bo bei unserem letzten Termin vor meiner Abreise. »Gleichzeitig wollen wir aber auch als etwas Besonderes wahrgenommen werden, das heißt, wir wünschen uns, dass man noch in 20 Jahren an uns denkt und von uns spricht«, fährt er fort. »Aber die Erwartungen anderer zu erfüllen und dabei etwas Besonderes zu sein, das funktioniert nicht. Denn das Besondere ist eben etwas, was nicht den Erwartungen entspricht. Um ein außergewöhnlicher Mensch zu sein, muss man aus seinen Rollen ausbrechen können. Und das trauen sich die meisten Menschen nicht. Stattdessen glauben sie, es reiche, sich die Haare rot zu färben, ein Weinkenner, Jazzliebhaber, ein Anhänger der Gothic-Szene zu sein oder in den Swinger-Club zu gehen oder ein ganz braver und toller Buddhist zu sein, um als außergewöhnlich zu gelten. Das ist lächerlich, denn all diese Dinge sind gesellschaftlich anerkannt.«
     
Mit guten Manieren bleibt man
nicht in Erinnerung.
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    Ich berichte ihm von dem Eindruck, den viele Besucher des Klosters in der letzten Woche auf mich gemacht haben. Gerade die, die sehr viel davon sprachen, ihr Ego loswerden zu wollen, wirkten auf mich nämlich besonders unfroh: »Es macht keinen Spaß, sich mit ihnen zu unterhalten, sie inspirieren mich nicht. Von den meisten glaube ich, dass sie einfach keine besonderen Talente oder Interessen besitzen, aus denen sie etwas machen könnten. Was ist denn schlimm daran, ganz normale Ziele zu verfolgen und sich zu verwirklichen?«, frage ich. »Was hat man im Buddhismus dagegen?«
    Bos Antwort überrascht mich: »Auch die Menschen, die in das Kloster zu den Seminaren und den Meditationsabenden kommen, wollen sich verwirklichen. Doch sie verstehen nicht, was sich verwirklichen heißt. Verwirklichen heißt, sich anzupassen.«
    Für mich bedeutete Sichverwirklichen bisher immer das Gegenteil.
    »Denk doch einmal nach«, fährt Bo fort, »verwirklichen kann sich in dieser Gesellschaft nur, wer sich an die Norm, an die Regeln, an die Moral hält. Tue ich das nicht, darf ich in dieser Gesellschaft überhaupt nichts machen – keine Karriere anstreben zum Beispiel, kein Geschäft eröffnen, Politiker oder Schauspieler sein. Ein Politiker strebt zum Beispiel die Position eines Parteivorsitzenden an, weil dieses Amt viel Macht bedeutet. Viele assoziieren so einen Posten mit Freiheit, dabei muss man sich in sehr viele Zwänge begeben, um ihn zu erreichen.
    Selbstverständlich macht das Verwirklichen als Spiel mit diesen Normen, Zwängen und Regeln Spaß, aber du bist nicht dieses Amt. Du solltest dich also nicht damit verwechseln. Sobald nämlich das, was du tust, dir keinen Spaß mehr macht,

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