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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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bitte.«
    »Nein ... Paul, Pissnelke ist noch viel zu harmlos ... dieser ... dieser Lesnik ist eine solche Pissnelke ... ein richtiges ...«
    »Arschloch?«
    Bettina nickte Carola zu, der Chilene schränkte ihre Reaktionszeit nicht unerheblich ein. Und das sekundenschnelle Leeren ihres vollen Glases machte es nicht besser.
    »Bettina, wenn die dir so ... ein Arschloch vor den Kopp knallen, dann ...« Auch Carola ließ den Chilenen für sich arbeiten und leerte ihr Glas in Nanosekunden.
    »Man muss sich wehren!«
    Wenigstens Ansgar steuerte noch eine klare Satzkonstruktion zum Gelingen des Abends bei.
    »Wehren! Richtig! Wehren! Wie die Messias, die lässt sich auch nix gefallen ... nix ... gar nix ... mir ist ein bisschen schlecht ... glaub ich.«
    »Oh ja, du siehst blass aus, Bettina.«
    Bettina spürte noch nicht mal meine kleine rhetorisch verpackte Racheattacke, sie kämpfte längst mit schleichender Rotweinintoxikation.
    »Aber diese Bella ...«
    »Gabor!«
    »Genau, diese Bella Gabor ... diese ... egal ... Schiss hat die ... ein Feigling ist sie ... Warum nennt die nicht Ross und Reiter? Warum sagt die nicht ... sagt die ... –«
    »Ja?«
    »Was sie wirklich denkt?«
    »Tut sie doch!«
    »Echt?«
    »Ja!«
    Carola begann sich aufzuregen. Während meine Frau mit dem Gluckern ihres Magens beschäftigt war.
    »Aber deutlich ist sie nicht!«
    »Das kannst du so nicht sagen, vielleicht ist sie aus gutem Grund noch zurückhaltend?!«
    Wenn Ansgar jetzt angefangen hätte, Textanalysen zu betreiben, wäre der Chilene meine letzte Zuflucht geworden. Er wurde es nicht, denn mit einem Mal rannte Ansgar ohne jede Vorankündigung zum Klo und überließ mir das Feld mit zwei völlig betrunkenen Frauen.
    »Ich werd mich wehren, Bettina ... wehren! Wehr mit!«
    »Wie, wehr mit? ... Wie ... wie ... wie meinst du das, Carola?«
    »Wir wehren uns. Wehrst du dich auch mit, Paul Elmar?«
    Ich schüttelte nur den Kopf. Ich hatte bei so vielen Dingen aufgehört mich zu wehren, jetzt war nicht der richtige Augenblick, wieder damit anzufangen.
    »Wir sind die Messias!«, skandierte Carola, chilenisch geflutet und moralisch befeuert.
    »Genau ... Carola ... genau, wir alle!«
    »Ich nicht!«, konstatierte ich, wenigstens noch einigermaßen im Besitz meiner geistigen Kräfte, in einem Hauch von Gegenwehr.
    »Du bist ein Schisser, Paul! Wenn du so wärst wie ...«
    »Bella!«, ergänzte meine Bettina.
    »Genau, wenn du mal die Sachen so ... mal auf’n Punkt bringen würdest, die Sachen, wie Bella Gabor ... dann ... dann ...«
    »Was dann, Carola?«
    »Dann ... Scheiße ... einen trinken wir noch, oder?« Carola erhob sich, vergaß aber, dabei ihre Beine von ihrer Absicht, aufstehen zu wollen, in Kenntnis zu setzen. So strebte nur ihr Oberkörper in Richtung Küche, der Rest ihrer menschlichen Hülle blieb sitzen. Aber nicht lange, denn unmittelbar danach fiel die gesamte Carola nach hinten. Dort blieb sie liegen, unverletzt.
    Was Bettina daran so witzig fand, dass sie einen Lachkrampf bekam, erschloss sich mir nicht. Keiner von uns beiden machte Anstalten, Carola zu helfen. Warum auch, so lange sie im Liegen noch sprechen konnte.
    »Morgen werde ich auch auf einen ... einen ... einen ... Bau ... Bau ... Bau ...«
    »Baukran?«, schlug Bettina vor.
    »Genau, Baukran klettern, und dann kann sich mein lieber ... Kollege ... Doktorrrrrrr ... Mindis warm anziehen!«
    »Ich komm mit ... dann ... dann ... dann kann sich mein lieber Kollege ... Lesnik auch warm ... warm ...«
    »Anziehen?«
    Bettina nickte noch einmal und sackte dann nach vorne und begrub einen abgelutschten Olivenkern unter ihrer Stirn, was ihr nichts ausmachte, denn sie rührte sich keinen Zentimeter mehr. Ich scannte kurz die aktuelle Baustellensituation in Muenden durch, so gut es ging. Aber nach meinem Kenntnisstand gab es keinen einzigen Baukran in der Nähe einer Kirche. Wenigstens das.
    Irgendwann wurden wir von einem uns unbekannten Taxifahrer nach Hause gebracht.
    Während ich noch den Weg in unser Schlafzimmer und das dazugehörige Ehebett gefunden hatte, schlief Bettina auf dem Mohairteppich im Wohnzimmer. Ich überlegte einen Moment, sie zu mir zu holen, entschied mich dann aber dazu, alleine liegen zu bleiben. Wir waren beide alt genug, um zu entscheiden, wo wir schlafen wollten und mit wem. Mir war klar, dass diese Erkenntnis auf purer Faulheit und Bequemlichkeit beruhte, ich kam aber nicht dazu, etwas an dieser Erkenntnis zu korrigieren oder zu hinterfragen.

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