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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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Eine SMS mit bedeutungsschwangerem Inhalt machte jeden weiteren Gedanken zunichte.
    müssen dringend reden, morgen. dana bischoff
    DIE MESSIAS Folge 9
    Sie haben Resi in die geschlossene psychiatrische Abteilung des Universitätsklinikums von Würzburg eingewiesen. Dort wartet sie nun, neben anderen Mitgliedern der göttlichen Familie, einem Führer, zwei Konrad Adenauers und diversen Zwangsneurotikern, Psychosen und traumatischen Angstzuständen auf den Beginn einer Therapie. Nur zu gut kann ich mir vorstellen, was sie auszuhalten hat. Und welche Gegenwehr ihr bevorsteht, wenn sie beharrlich dabei bleibt, dass sie fast einen ganzen Tag neben der Tochter Gottes im Bett gelegen hat. Wie jede Nuance ihrer Schilderungen mit einem verständnisvollen Lächeln und beruhigendem Kopfnicken begleitet wird. Und wie jedes Detail ihres Berichtes die Seiten einer Krankenakte füllt, an deren Ende die Empfehlung für eine langjährige Therapie steht. Resi weiß nicht, was auf sie zukommt, und sie weiß auch nicht, dass sie sich nach dem Wunsch ihrer Therapeuten von dem verabschieden soll, was ihr am liebsten ist, ihrer eigenen Persönlichkeit. Denn mit dem Überstreifen des Engelhemdes ist Resi schon nicht mehr die Resi, die ihre Eltern kennen und lieben. Sie ist schon auf einer pharmazeutischen Reise. Ich weiß es, ich habe das alles mehr als genug am eigenen Leib erfahren. Immer wieder, wenn sogenannte Experten der medizinischen und wissenschaftlichen Wahrheit sich das alleinige Recht herausnahmen, zu beurteilen, was richtig ist und was falsch, wer das ist, was er von sich behauptet, und wer dabei lügt. So was können diese Menschen, glauben sie zumindest. Und sie wissen auch immer ganz genau, wie die sedierenden Konsequenzen dieser Fehlbeurteilungen auszusehen haben. Das wissen sie, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was sie da anrichten. Aber auch ohne diese zweifelhaften therapeutischen Erfahrungen weiß ich, was Resi jetzt durchmacht. Ich erinnere mich an einen Albtraum, der nichts mit Psychiatrie und ähnlichen Dingen zu tun hatte. Während eines sehr unfreiwilligen Aufenthaltes in Böhmen, irgendwann so um 1600 oder ein paar hundert Jahre vorher, was macht das schon, wurde ich das Opfer eines extrem irren und überengagierten Chemikers. Eigentlich war der Mann ganz nett, seinen Namen weiß ich trotzdem nicht mehr. Ich nenne ihn einfach mal Ladislaus.
    Ladislaus war fest davon überzeugt, dass ich die Tochter Gottes bin. Und ich hatte keinen Grund, daran zu zweifeln, denn er sagte ganz zweifelsfrei die Wahrheit. Leider war er auch fest davon überzeugt, alle Kräuter und Pilze des Waldes zu kennen, zumindest was ihre Wirkung und Gefahr anging. Ein fataler Fehler, der mich fast das Leben gekostet hätte. So bezahlte ich die wahrscheinlich gutgemeinte Absicht des Hobbychemikers und schlechtesten Kochs am Platze nur mit einem komatösen Dauerschlaf und extremsten Körperverrenkungen, die, dem Himmel sei Dank, in keiner Weise dokumentiert wurden. Ohne IHN hätte ich diese Geschichte nicht überlebt. Seit dieser Zeit meide ich Böhmen, Kräuter und Pilze. Für Böhmen tut es mir leid.
    Resi kann froh sein, dass ihr die Körperverrenkungen erspart bleiben. Die moderne Pharmazie weiß endlich, wie man mit Kräutern und Pilzen umgeht. Es tröstet sie aber nicht, wie auch?
    Vor dem Klinikum steht eine kleine Gruppe von Frauen mit eingerollten Transparenten. Vielleicht vier, fünf, höchstens sechs. Einige haben keine Transparente und gehören vermutlich zum zivilen Klinikpersonal mit dem Auftrag, eine Eskalation zu verhindern. Ich stelle mich dazu und sauge die Kakophonie an Meinungen ein, um mir eine eigene zu bilden.
    »Und wenn sie wirklich die Messias gesehen hat?«
    »Sie sah so aus!«
    »Hä? Wie sieht denn eine aus, die die Messias gesehen hat?«
    »Ja, so leidenschaftlich halt.«
    »Sie hat so ’nen Blick. So durchdringend irgendwie. Fast schon bedrohlich. Also jetzt nicht Angst machend, aber schon ...«
    »Authentisch?«
    »Ja, authentisch, richtig.«
    »Sie ist krank, sehr krank!«
    »Ich glaube auch.«
    »Ich nicht!«
    »Sie hat doch recht, wir müssen uns wehren, wir müssen zeigen, wer wir sind.«
    »Aber genau!«
    »Bitte, das bringt doch jetzt nichts!«
    »Wer sagt das?«
    »Ich!«
    »Machen Sie Platz, aus dem Weg, wir gehen da jetzt rein! Wer nicht mit uns ist, der ist gegen uns!«
    »Bitte, man kann doch über alles reden!«
    »Dann fangen Sie doch endlich an. Wir lassen uns nicht mehr den Mund verbieten!

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