Neu-Erscheinung
Außerdem kann man sich nicht verrückt machen, man wird es ganz automatisch. Entgegen meiner eigenen Strategie tastete ich nach meinem Handy, um zu kontrollieren, ob Masuch es wieder versucht hatte. Aber das Handy war nicht da, wo es hingehörte. Ich hätte Frau Löffler fragen können, wo es ist, oder sie bitten, es mit mir zu suchen. Doch dazu kam es nicht, denn das ganz normale Redaktionshandy klingelte.
»Litten.«
»Ich bin’s«, sagte Bettina am anderen Ende der Leitung.
»Schön, dass du anrufst, gibt’s was?«
»Allerdings.« Nichts an ihrer Stimme machte mir Hoffnung auf eine gute Nachricht, nichts.
»Paul Elmarrr?«
Das Elmar-R schnarrte wieder.
»Wer zum Teufel ist: Dana Bischoff?«
Mein Handy war wieder aufgetaucht, und Bettina hatte es gefunden. Das erste Drama hatte mich erreicht.
Ich und das zweite Drama
Flora und Fauna können vieles, aber einen sehr aufgeregten Mann wie mich können sie nicht auf andere Gedanken bringen. Weder mit Vogelgezwitscher noch mit sonstigen Lauten, Düften, Farborgien in Grün und Braun oder ähnlich ambitionierten Ablenkungsmethoden der Natur. Den neuen Waldlehrpfad durchschritt ich wie ein seelenloser Schreibroboter. Mein Notizblock schrieb auf Autopilot, und die wie nebenbei geschossenen Digitalfotos verdienten nicht einmal ihren Dateinamen.
Meine Gedanken kreisten um Bettina, die ich seit mehreren Stunden nicht erreichen konnte, um ihr zu erklären, wer Dana Bischoff ist. Ausgerechnet jetzt, wo es wieder lief oder bald laufen würde, ausgerechnet jetzt war ich aufgelaufen. Ich hatte mir zwar nichts vorzuwerfen, aber auch die reinste Weste bewahrt einen nicht vor schmutzigen Verdachtsmomenten. An Bettinas Stelle hätte mich eine SMS wie diese auch misstrauisch gemacht. Gut, ich wäre nicht gleich explodiert, ich bin da mehr so der sensible Problemheranschleicher, aber genagt hätte so eine verfängliche Botschaft schon an meinem Ego und meiner Rolle als monogamem Ehemann. Ich bin ein Othello – light. Sehr light. Bettina ist das Gegenteil. An ihr ist vieles light, nur nicht ihre Eifersucht. Entsprechend sensibel hatte ich meine Erklärungsversuche gestartet.
Ich versuchte es mit Verständnis, Sachlichkeit und Wahrheit, die Dreifaltigkeit der guten Absicht. Aber davon wollte Bettina partout nichts wissen. Warum auch, die gute Absicht will alles und kann nichts. Bettina glaubte mir kein Wort von dem, was ich erzählte. Jedes Leugnen war für sie ein Geständnis. Jede gestammelte Unkenntnis ein weiteres. Ich war schuldig. Punkt, Ende der Anklage.
Aber ich kannte doch wirklich weder Dana Bischoff, noch konnte ich mir erklären, was diese kryptische SMS bedeuten sollte. Bettina war das egal, sie legte wütend auf und war danach für mich nicht mehr zu sprechen. Ihr Sekretariat gab sich wenig originelle und noch weniger überzeugende Mühe, sie zu verleugnen.
Da Dana, oder wer auch immer, die SMS mit unterdrückter Rufnummer versandt hatte, war auch der Detektiv in mir nicht gefordert. Meine Kontakte zur örtlichen Polizei waren eher grob als intim. Die Bitte einer Peilung, Ortung oder was weiß ich, was man sonst noch alles mit SMS -Nachrichten machen kann, wäre definitiv abschlägig beschieden worden. Ob die Muendener Polizei überhaupt über entsprechende technische Möglichkeiten verfügt hätte – ich fürchte nicht. Mir blieb keine andere Chance, als zu warten. Auf Kommissar Zufall, Tante Schicksal, Oma Glück oder sonst wen. Diese Wartezeit nutzte ich für eine spektakuläre Theorienbildung, die einem klassischen Dreier folgte.
Am wahrscheinlichsten war für mich Theorie Nummer 1 . Dana hatte sich verwählt, und irgendwo da draußen im Handy-Niemandsland wartet noch heute ein Mensch auf Nachricht von Dana und verflucht sie mittlerweile, weil sie sich einfach nicht meldet, die treulose Seele. Theorie Nummer 2 ging von einem lustigen, zweiteiligen Gewinnspiel aus. Im ersten Teil wird der Kunde mit einer SMS von Dana halb kirre gemacht, und im zweiten Teil, zwischen Ehestreit und dem Einreichen der Scheidungspapiere, wird einem dann erklärt, dass man einen Gutschein für Babsi’s Solariumparadies in Bad Berleburg gewonnen hat. Theorie Nummer 3 war dann nur noch eine schicke Kombination aus 1 und 2 : Babsi’s Solariumparadies hatte sich verwählt, und irgendwo da draußen wartet noch heute ein verzweifelter Fast-Gewinner auf eine SMS aus Bad Berleburg. Richtig überzeugend war keine dieser Theorien, aber in allen schlummerte das Prinzip Hoffnung.
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