Neue Schuhe zum Dessert
an und ihre Arbeitssituation. Entschuldige, Schatz«, sagte er zu Becky. »Ich weiß, du kannst nicht anders. Aber von dir hatte ich etwas anderes erwartet, Jojo. Sag mir, dass ich mich in dir nicht getäuscht habe. Sag mir, dass du deinen Worten Taten folgen lassen wirst. Ich muss mich an irgendwas halten können.«
»City hat gerade den Manager vor die Tür gesetzt«, erklärte Becky.
»Gut«, sagte Jojo und schluckte. »Wir machen es publik, es ist nur eine Frage der Zeit. Aber wenn ich mir vorstelle, als ich in Sams Alter war …« Sie brach ab, dann fuhr sie mit zittriger Stimme fort: »Wenn ich mir vorstelle, dass Sophie und Sam ihren Vater verlieren …«
Die Tränen rannen ihr über das Gesicht, und sie weinte still vor sich hin, während Becky und Andy sich hilflose Blicke zuwarfen. Es gehörte sich nicht, dass Jojo weinte.
Abends, als sie im Bett lag, gestand sie es sich ein: Sie wartete auf den Zeitpunkt, wo es ihr größeren Schmerz verursachen würde, auf Mark zu verzichten, als für das Scheitern seiner Ehe verantwortlich zu sein und seinen Kindern den Vater zu nehmen. Und dieser Zeitpunkt war noch nicht gekommen.
Sie liebte Mark, aber sie ließ sich nicht richtig auf ihn ein. Sie hatte ihm nie – außer im Scherz – gesagt, dass sie ihn liebte, und er hatte mehr als einmal darauf erwidert: »Du lässt dich nicht richtig ein, Jojo.«
Das lag daran, dass sie unbedingt vermeiden wollte, von ihren Gefühlen völlig überwältigt zu werden und sich zu etwas hinreißen zu lassen, das in so heftigem Widerspruch zu ihren Moralvorstellungen stand.
Aber Andy hatte Recht: Sie und Mark waren risikofreudiger geworden. Bedeutete das, dass sie ertappt werden wollten, damit die Entscheidung für sie gefällt würde?
Und wie würde ein gemeinsames Leben aussehen? Wo würden sie leben? Müsste sie ihre Wohnung verkaufen? Ja, aber das war in Ordnung. Allerdings müsste sie dann in ein Fitnessstudio gehen, denn jetzt hielten die Treppen sie auf Trab. Mehr oder weniger. Vielleicht müssten sie ein Haus außerhalb, in einem Vorort, kaufen.
Doch das ängstigte sie nicht mehr. Dazu bin ich bereit, erkannte sie. Fast bereit. Mark und sie könnten jeden Tag zusammen zur Arbeit fahren, sie könnten jede Nacht in einem Bett schlafen, sie würden jeden Morgen zusammen aufwachen, und das ganze Herumschleichen hätte ein Ende.
Und nein, sie glaubte nicht, dass sie es leid werden würde, mit ihm zusammen zu sein. Man sagte oft, dass es in Affären um Sex gehe und sie nie den Übergang von gestohlenen Momenten zu langweiliger Häuslichkeit überlebten, doch wenn Mark und sie allein waren, war es nicht im Geringsten langweilig. Abgesehen von dem Sex, der immer noch berauschend war, machten sie auch ganz alltägliche Dinge miteinander. Sie kochte für ihn, sie lasen zusammen die Zeitung, sie lösten kryptische Kreuzworträtsel, sie sprachen über die Arbeit. Jetzt brauchten sie nur noch Filzpantoffeln. »Mark, sieh uns an«, hatte sie am vergangenen Sonntag gerufen. »Wir sind wie ein altes verheiratetes Ehepaar.«
»Das lässt sich einrichten.«
»Sag das nicht.«
Sie seufzte in die Dunkelheit hinein. Sie war im Begriff, anderen Schmerzen zuzufügen und sich selbst schändlich zu verhalten, aber sie müsste es einfach durchstehen. Zum Glück machte sie auch die ihr unliebsamen Dinge gut, aber weil sie sie gut machte, hieß das nicht, dass es ihr auch gefallen musste.
17
Samstagabend. Bei den Wyatts
Magda öffente die schwere Tür und brüllte mit lauter Stimme: »Jojo Harvey, du bezauberndes Geschöpf. Mazie! Marina! Jojo ist da!«
Eine Schar von Blondinen umringte Jojo, die in ihren alten schwarzen Leggings, abgewetzten Teufelshörnern und einem mit Klettverschluss befestigten Schwanz gekommen war, und überschütteten sie mit Zuneigung. Sogar Mrs Wyatt – »Nennen Sie mich Magnolia, bitte« –, die eine weitere Schwester hätte sein können, stimmte mit ein. »Du bist so sexy. Was für eine gute Idee, als Teufel zu kommen«, sagte Magda.
Womit bewiesen wäre, dachte Jojo, dass manche Menschen es verdienten, reich und schön zu sein. Die Kostüme der Wyatts waren geliehen – oder schlimmer noch, eigens geschneidert –, und trotzdem bewunderten sie Jojos hässliche Hörner und den Schwanz, als wäre ihre Verkleidung das Größte, was sie je gesehen hatten. Mazie trug als Marilyn Monroe ein schulterfreies Kleid, Marina hatte mehrere ausgestopfte Vögel an ihrem eisblauen Chanel-Kostüm befestigt und war
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