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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Kurier!«
     
    Eamonn Farrell, Autor und Trunkenbold, hatte einen Termin um halb vier. Um fünf vor vier erschien er in einer Wolke von Tabakrauch, Essensdünsten und Paco Rabanne, vermischt mit einem Hauch von Uringeruch. Er war nämlich ein Genie. Da er einer von Jojos Starautoren war und gleich nach Nathan Frey kam, musste sie ihn zur Begrüßung küssen. Es kommt zwar nicht oft vor, aber manchmal hasse ich meinen Beruf, dachte sie.
    Er saß vor ihr in Sachen, die aussahen, als wären sie an ein Auto gebunden und eine Weile lang durch die Straßen geschleift worden – auch ein Zeichen dafür, dass er ein Genie war –, und beklagte sich eine geschlagene Dreiviertelstunde lang über jeden anderen männlichen Schriftsteller unter der Sonne. Dann erhob er sich abrupt und sagte: »Ich gehe jetzt und betrinke mich.«
    »Ich bringe Sie zum Aufzug.«
    Auf dem Weg kamen sie an Jim vorbei. »Jojo, bist du lange weg?«
    Hast du dich gestern Abend mit den Frauen, die sich ausziehen, gut amüsiert? Sie unterdrückte ihren Zorn. »Nein, bin gleich wieder zurück.«
    »Komm doch dann mal bei mir rein.«
    »Wer ist das?«, fragte Eamonn. »Jim Sweetman, der Medienmensch? Der den Scheißdreck von Nathan Frey nach Hollywood verkauft hat? Und was macht er mit meinem?«
    »Ihrem Scheißdreck? Wir arbeiten noch dran.«
    »Was …?«
    »Hier ist der Aufzug.« Sie schob ihn mit all seinen Ausdünstungen hinein. »Passen Sie auf sich auf, Eamonn. Bis zum nächsten Mal.«
    Die Türen schlossen sich vor einem verdutzt blickenden Eamonn Farrell. Welche Erleichterung. Ihr üblicherweise vorbildliches Benehmen hatte sie heute im Stich gelassen. Ziemlich erleichtert drehte sie sich um – und erblickte am Ende des Korridors Mark mit einer blonden Frau. Eine Autorin? Eine Lektorin? Alle ihre Nerven waren gespannt, als sie erkannte, dass es Cassie war.
    Sie sah überhaupt nicht so aus, wie Jojo sie in Erinnerung hatte. Sie war größer und schlanker und trug Jeans und eine weiße Bluse und – NEIN! WIRKLICH? Mein Gott, das war nicht möglich. Jojo sah genau hin – doch! – und konnte es kaum fassen. Sie trägt meine Jacke . Sie ist über vierzig, warum um alles in der Welt trägt sie eine Lederjacke von Whistles? Ein kurzlebiges Objekt, das in drei Monaten überholt sein wird. Ich habe mir verkniffen, sie zu kaufen, dabei bin ich erst dreiunddreißig.
    Mark entdeckte sie und war sofort in Alarmbereitschaft, und sie wechselten Blicke über die Länge des Flurs. Jojo hätte sich am liebsten umgedreht und wäre zum Aufzug gehechtet, nur wäre das verräterisch gewesen, also musste sie auf die beiden zugehen. Der Flur kam ihr endlos vor, es gab keine Fluchtmöglichkeit, keine Türen, hinter denen sie verschwinden konnte, und es dauerte ewig, bis sie die sechs Meter zurückgelegt hatte. Cassie ging schneller als Mark, sie sprach mit lauter Stimme, und es klang, als würde sie ihn schelten. »Du Dummkopf«, sagte sie und lachte.
    Als sie auf einer Höhe waren, senkte Jojo den Kopf, murmelte »Hallo« und glitt vorbei, doch Cassie sagte: »Hallo.«
    Scheiße! »Hallo.«
    Mark und Jojo wollten ihren Weg in entgegengesetzte Richtungen fortsetzen, aber Cassie blieb stehen, also blieb Mark nichts anderes übrig, als sie miteinander bekannt zu machen, was er auch tat, und zwar mit der Begeisterung eines Menschen, der auf dem Weg zu seiner Hinrichtung war. »Das ist Jojo Harvey. Eine unserer Agentinnen.«
    »Jojo Harvey.« Cassie nahm Jojos Hand in ihre beiden, sah sie an und sagte: »Mein Gott, so ein bezauberndes Geschöpf!« Ihre Augen waren blau, skandinavisch blau, und trotz der Fältchen attraktiv. »Und ich bin Cassie, Marks leidgeprüfte Ehefrau.«
    Scheiße . Aber Cassie zwinkerte, und Jojo begriff, dass sie scherzte.
    »Ich wollte schon längst mal an Sie schreiben, Jojo.«
    Scheiße . »Wirklich?«
    »Sie haben so viele gute Autoren. Sie sind sehr erfolgreich.«
    Woher kennt sie meine Autoren?
    »Ich fand Mimis Medizin großartig«, erklärte Cassie, »fantastisch, eine richtige Kostbarkeit.« Ganz meine Meinung, dachte Jojo. Scheiße.
    »Und ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, aber ich habe Mark gebeten, mir ein Exemplar von Miranda Englands neuestem Buch aus Ihrem Büro zu stehlen. Sie ist klasse, finden Sie nicht? Der reine Eskapismus.« Ganz meine Meinung, dachte Jojo.
    Scheiße.
    »Sie lesen viel.« Sie klang wie ein Automat, aber sie stand unter Schock. Sie hatte eine breithüftige Frau im Faltenrock mit Gummizug und in flachen

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