Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
sagte Sonja. »Sie ist zu dem Komitee gegangen, wegen der Vereidigung.«
»Dann ist sie nicht da?«
»Nein, die ist bei dem Komitee. Soll ich was ausrichten?«
»Nein, schon gut, oder halt, sag ihr mal, daß ich angerufen habe, ja?«
»Ja, wieso?«
»Wieso?« sagte Frank verwirrt. »Wieso was?«
»Schon gut, egal, mach ich«, sagte Sonja.
»Danke«, sagte Frank und legte auf.
Er atmete tief durch. Das war heikel, fast schon peinlich, und das reicht jetzt auch, dachte er, mehr kann man an einem Abend nicht verlangen.
Aus Martin Klapps Zimmer drang Kerzenschein in den Flur, als Frank die Wohnung betrat.
»Sieh an, der Frankie! Komm rein«, rief Martin Klapp herzlich, als Frank in sein Zimmer spähte, »schau doch mal, wer hier ist!«
Martin Klapp und Ralf Müller saßen auf dem Fußboden, und bei ihnen saß Achim. Alle drei hatten je eine Tüte Popcorn in der Hand, und neben Ralf Müller stand ein großer Karton mit noch viel mehr Popcorntüten, und einige Popcorntüten lagen auch auf dem Boden verstreut, außerdem hatten sie eine Kiste Fanta und eine Flasche Wodka dabei. Es hatte im Kerzenschein ein bißchen was von Kindergeburtstag und Weihnachten zugleich, nur der Wodka paßte nicht ins Bild.
»Mensch, Achim«, sagte Frank, »auch mal wieder da?!«
»Für immer«, sagte Achim. Er rülpste und schenkte sich Fanta und Wodka in ein schmieriges Glas. »Bin für immer wieder da.«
»Das ist schön, Achim«, sagte Frank und setzte sich dazu. »Wie war’s denn so im Ruhrgebiet?«
»Wir kamen vom Komitee wieder«, sagte Ralf, »und er war einfach wieder da. Saß einfach hier im Zimmer und hatte den Wodka mitgebracht.«
»Bist du ausgetreten, Achim?«
Achim nickte.
»Hm …« Frank wußte nicht, was er dazu sagen sollte, nach seiner Erfahrung war bei frisch ausgetretenen ExGenossen immer Vorsicht angebracht, man wußte nie, ob man ihnen gratulieren oder sie bedauern sollte, das eine konnte so falsch sein wie das andere, deshalb drehte er sich erst einmal eine Zigarette. Er hatte schon wieder den ganzen Abend nicht richtig ans Rauchen gedacht, und langsam begann et sich zu fragen, wie das die anderen bloß immer hinkriegten.
»Achim jetzt auch«, sagte Martin Klapp, »Achim jetzt auch.«
»Das wird nichts mehr mit der Organisation, noch ein Jahr, dann sind die alle bei den Grünen oder so«, sagte Ralf Müller zu niemand Bestimmtem, mehr so in den Raum hinein. »Die ganzen Genossen, die wir früher rausgeworfen haben, die sind doch alle schon bei den Grünen, daran sieht man doch, wo der Hase langläuft.«
»Ja, ja …«, sagte Frank und nahm einen tiefen Zug von der Zigarette, um nicht einzuschlafen.
»Du glaubst gar nicht, wen wir da bei dem Komitee alles wiedergesehen haben«, sagte Ralf Müller, »die ganzen ExGenossen und was da sonst noch alles war, die Revis und das ganze Volk, du glaubst gar nicht, was da los war, die BGLer auch, MG, die ganzen Leute, sowas hat’s schon ewig nicht mehr gegeben, ich meine, nichts gegen eine breite Aktionseinheit und so, aber irgendwie hat das hat auch ganz schön genervt.«
»Und das ist schon zu Ende? Nach nur drei Stunden oder so?« fragte Frank, mehr um etwas zu sagen als aus Interesse.
»Nein«, sagte Ralf und verdrehte die Augen, »wir mußten gehen, weil Martin irgendwann Sibille gesehen hat.«
»Wieso mußtet ihr denn deshalb gehen?«
»Nix«, sagte Martin Klapp, und Frank merkte erst jetzt, wie betrunken er war, mindestens so sehr wie Achim, wenn nicht noch mehr. Er saß, so hatte es für Frank den Eindruck, überhaupt nur noch wegen des Gesetzes der Massenträgheit aufrecht, und die Masse seines Oberkörpers begann sich auch schon bedenklich zu einer Seite zu neigen. »Kein Wort«, sagte er kurz und nach Luft schnappend, und Frank hatte schon Angst, er würde kotzen.
»Ist ja auch egal«, sagte Ralf Müller und verdrehte wieder die Augen, »jedenfalls war die auch da.«
»Ja, ich weiß«, sagte Frank.
»Wieso?« sagte Martin Klapp scharf und richtete sich auf. »Woher weißt du das?«
»Was?« stellte Frank sich schnell dumm.
»Wieso weißt du, daß Sibille da hingegangen ist? Woher weißt du das?«
»Ja, nee, weiß ich auch nicht, ich glaube, sie hat mir das neulich erzählt, daß sie da auch hingehen will.«
»Wo hast du sie denn neulich getroffen?« »Was soll das, Martin?« sagte Frank. »Was weiß ich denn, wann und wo? Ich kann mir nicht alles merken. Vielleicht habe ich auch nur die andere getroffen, du weißt schon, die andere da,
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